Studie: Deutsche Autobranche würde heftige Brexit-Einbußen erleiden

22.06.2017 13:47

London steuert weiter auf einen Brexit zu. Was bedeutet das für die
Autoindustrie? Experten meinen: Auf britischen Straßen könnten bald

weniger Autos aus Stuttgart, Wolfsburg und München zu sehen sein.

London (dpa) - Der deutschen Autoindustrie drohen nach dem
EU-Austritt Großbritanniens einer Studie zufolge harte Einschnitte.
Von den 60 000 Arbeitsplätzen, die hierzulande vom Verkauf deutscher
Autos und Autoteile in Großbritannien abhängen, könnten 18 000 - also

fast ein Drittel - als Folge hoher Verkaufseinbußen wegfallen, heißt
es in einer am Donnerstag publizierten Untersuchung des
Beratungsunternehmens Deloitte. Der Absatz von Autoherstellern aus
der EU dürfte dort um 20 Prozent einbrechen, davon wären besonders
deutsche Firmen betroffen. So heftig waren die Einbußen zuletzt in
der Finanzkrise 2009.

Die Autoren begründen die Einbußen mit Zöllen, wenn das Vereinigte
Königreich bei einem «harten» Brexit aus Europas Binnenmarkt
austritt. Negativ dürfte sich zudem ein Kursverlust des Pfunds
auswirken, wodurch importierte Waren in dem Land teurer würden.

Der Titel der Abhandlung lautet: «Bremsklotz Brexit - Wie ein harter
Brexit die deutsche Automobilindustrie ausbremst». Nach Einschätzung

des Deloitte-Experten Thomas Schiller werden die Firmen wegen des
steigenden Kostendrucks nicht nur über «Optimierung» der Lieferketten

nachdenken, sondern auch die Verlagerung von Standorten in Erwägung

ziehen.

Großbritannien ist als Absatzmarkt sehr wichtig für die
heimischen Hersteller, jedes fünfte aus Deutschland exportierte Auto
geht in das Vereinigte Königreich. 2016 wurden dort 950 000 Autos aus
Deutschland neu zugelassen.

Daimler, VW und BMW hätten nach einem harten Brexit einen deutlich
schwereren Stand auf dem britischen Automarkt: In Deutschland
hergestellte Fahrzeuge dürften der Studie zufolge in Großbritannien
um 21 Prozent teurer werden - im Schnitt müsste ein englischer
Autokäufer umgerechnet 5600 Euro mehr zahlen, wenn er einen Wagen
«Made in Germany» haben will. Hersteller aus Kontinentaleuropa wäre
n
die großen Verlierer, heißt es in der Studie.

Große Gewinner gäbe es nicht: Firmen aus Großbritannien und aus
Staaten außerhalb der EU dürften zwar kurzfristig Absatzanteile
hinzugewinnen, doch auch sie müssten mit höheren Produktionskosten
rechnen. Sie beziehen viele Fahrzeugteile von Zulieferern aus der EU

- und diese Teile würden ja ebenfalls teurer.

Andere Autoexperten sehen ebenfalls massive Auswirkungen eines harten
Brexit auf die deutsche Autobranche. «Das wäre zweifelsfrei eine
große Belastung», sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der
Wirtschaft Bergisch-Gladbach. Zahlenschätzungen zu
Arbeitsplatz-Verlusten hält er allerdings für sehr unsicher. «Das
kann man aus heutiger Sicht noch nicht genau beurteilen.»