EU einig bei Verteidigung und Russlandsanktionen

22.06.2017 20:57

Ein «schützendes Europa» will der neue französische Präsident und

eine enge Partnerschaft mit Deutschland. Bei seinem ersten EU-Gipfel
macht Emmanuel Macron aber auf ganz andere Weise eine große Welle.

Brüssel (dpa) - Die Europäische Union treibt die gemeinsame
Verteidigungspolitik und den Kampf gegen den Terror voran.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen billigten am
Donnerstag beim EU-Gipfel den Ausbau der militärischen Zusammenarbeit
und einen Verteidigungsfonds für gemeinsame Rüstungsprojekte. Auch
einigten sie sich auf eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen
gegen Russland wegen der Ukraine-Krise.

Begleitet wurden die einmütigen Entscheidungen allerdings von
Misstönen: Der neue französische Präsident Emmanuel Macron
provozierte mit scharfer Kritik an osteuropäischen Ländern wütende
Reaktionen von dort.

Macron hatte einigen Ländern vorgeworfen, finanzielle Hilfen der EU
gerne mitzunehmen, aber gemeinsame Werte nicht zu teilen. Hintergrund
ist unter anderem der Streit über die Verteilung von Flüchtlingen.
Der «Süddeutschen Zeitung» sagte Macron: «Europa ist kein Supermark
t,
Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft!». Merkel stellte sich
ausdrücklich hinter Macrons Kritik und betonte ebenfalls die
europäische Wertegemeinschaft.

Polen und Ungarn reagierten empört auf Macron. «Der neue französische

Präsident ist ein Frischling», sagte Ungarns Regierungschef Viktor
Orban. «Sein Einstand war wenig ermutigend.» In Polen betonte ein
Regierungssprecher laut Agentur PAP, der Erhalt von EU-Geldern
verpflichte Polen nicht, auf die EU zu hören. Der tschechische
Präsident Milos Zeman geißelte die EU-Flüchtlingsquoten und zog laut

Agentur CTK eine Parallele zum Warschauer Pakt.

Gegen die drei Länder hatte die EU-Kommission ein Verfahren eröffnet,
weil sie EU-Beschlüsse missachten und keine oder nur wenige
Flüchtlinge aufnehmen. In der festgefahrenen Flüchtlingspolitik
deuteten sich auch auf dem Gipfel kaum Fortschritte an.

Bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik wurde man sich hingegen
schnell einig - die erste Arbeitssitzung wurde um eine Stunde
verkürzt. Man habe sich auf einen verstärkten Kampf gegen
ausländische Terrorkämpfer verständigt, sagte Ratspräsident Tusk.
«Wir sind fest entschlossen, unsere Menschen zu schützen.»

Dazu zählt für ihn auch die Entscheidung für eine «Ständige
Strukturierte Zusammenarbeit» zur Verteidigung. Dies sei ein
«historischer Schritt», meinte Tusk. Die sogenannte Pesco soll nun
binnen drei Monaten vorangetrieben werden. Auch bei der Verlängerung
der Russland-Sanktionen wurde man sich anschließend schnell einig.

In der Handelspolitik drückt die EU ebenfalls aufs Tempo: Ein
Abkommen mit Japan könnte nach Angaben aus EU-Kreisen schon im Juli
unter Dach und Fach gebracht werden. Die «Süddeutsche Zeitung»
meldete sogar, ein Durchbruch sei schon vor dem G20-Gipfel in Hamburg
am 7. und 8. Juli möglich.

Die EU wollte mit den Beschlüssen - auch vor dem Hintergrund der
beginnenden Brexit-Verhandlungen - vor allem ein Zeichen der
Einigkeit und der Handlungsfähigkeit setzen - trotz der Hakeleien
zwischen Ost- und Westeuropa. Dafür wollen Deutschland und Frankreich
ihre traditionell enge Zusammenarbeit wiederbeleben. Merkel sagte,
sie setze auf Kreativität und neue Impulse durch Macron. Dieser
sagte: «Wir arbeiten mit Deutschland Hand in Hand.»

Die britische Premierministerin Theresa May zeigte sich in Brüssel
zufrieden mit dem Start der Gespräche über den EU-Austritt und
kündigte an: «Heute werde ich einige der Pläne des Vereinigten
Königreichs darlegen.» Ihre Noch-Partner wollten aber auf dem Gipfel
nicht über den Brexit verhandeln. Auch Merkel sagte, der Fokus liege
nun vielmehr auf einer guten Zukunft für die 27 bleibenden Länder.

Diese müssen sich aber indirekt mit dem Thema befassen. Gesucht
werden neue Standorte für die bisher in London ansässigen
EU-Agenturen EMA (Arzneimittel) und EBA (Bankenaufsicht). Fast alle
der 27 Länder wollen sich darum bewerben. Auf dem Gipfel ging es
zunächst nur um ein Auswahlverfahren. Am Nachmittag zeichnete sich
ein Kompromiss ab, der großen Streit zwischen den Bewerbern vorerst
vermeidet.