Merkel lobt May-Angebot zum Brexit

23.06.2017 04:30

Droht in Großbritannien lebenden EU-Bürger nach dem Brexit die
Vertreibung? Nach einem Angebot der britischen Premierministerin
Theresa May ist diese Sorge wohl unbegründet.

Brüssel (dpa) - Großbritannien hat ein erstes konkretes Angebot für
die Brexit-Verhandlungen vorgelegt und damit Anklang bei
Bundeskanzlerin Angela Merkel gefunden. Nach dem britischen Vorschlag
sollen alle 3,2 Millionen EU-Bürger im Vereinigten Königreich eine
Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht bekommen. Das sei ein «guter
Anfang», sagte Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel. Das Treffen der
Staats- und Regierungschefs geht am Freitag mit Beratungen über
Wirtschaft, Handel und Migrationspolitik weiter.

Die britische Premierministerin Theresa May hatten den Staats- und
Regierungschefs der verbleibenden EU-Staaten am Donnerstagabend
vorgeschlagen, wie nach dem Brexit die Rechte der EU-Bürger in
Großbritannien gesichert werden könnten. Wer derzeit rechtmäßig im

Vereinigten Königreich lebt, soll demnach nicht gezwungen werden, das
Land zu verlassen. Das Angebot ist Teil der Brexit-Verhandlungen, die
Anfang der Woche offiziell begonnen hatten und Ende März 2019 zum
Austritt Großbritanniens aus der EU führen sollen.

Merkel betonte, es gebe bei den Verhandlungen noch viele offene
Punkte. So seien auch finanzielle Fragen sowie das Verhältnis
Großbritanniens zur Republik Irland zu klären. «Wir haben hier noch
viel zu tun bis Oktober», sagte sie mit Blick auf den
Brexit-Fahrplan.

Dieser sieht vor, dass bis zum Herbst die Bedingungen der Trennung
und die finanziellen Pflichten Londons geklärt sind. Anschließend
soll es bis Oktober 2018 um Eckpunkte der künftigen Beziehungen
gehen.

Österreichs Regierungschef Christian Kern sagte: «Also wir sind jetzt
gerade mal an der Startlinie dieses Prozesses - und wissen noch
nicht, ob es ein 100-Meter-Lauf wird oder doch ein Marathon.».

Am ersten Gipfeltag hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die 27
anderen Staats- und Regierungschefs den Ausbau der militärischen
Zusammenarbeit und einen Verteidigungsfonds für gemeinsame
Rüstungsprojekte beschlossen.

Zudem wurde geregelt, wie über die künftigen Standorte der
EU-Arzneimittelagentur EMA und der Bankenaufsicht EBA entschieden
werden soll. Die deutschen Bewerberstädte Bonn und Frankfurt am Main
werden demnach erst im November erfahren, ob sie nach dem Brexit eine
der aus London abziehenden EU-Behörden beherbergen dürfen.

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten beschlossen, dass es
im Oktober noch eine politische Diskussion über die Bewerbungen geben
soll. Erst danach wird es dann im November bei einem
EU-Ministertreffen eine geheime Wahl nach Art des Eurovision Song
Contest geben, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk mitteilte.

Deutschland bewirbt sich mit Bonn um die EMA und mit Frankfurt um die
EBA. Fast jedes andere Land will aber auch für mindestens eine der
Agenturen kandidieren. Die Erfolgsaussichten für Deutschland sind
deswegen höchst unklar. Zudem soll ein Land nicht beide Agenturen
bekommen.

Diejenigen Städte, die sich in dem Standortwettbewerb durchsetzen,
dürfen auf erhebliche Zusatzeinnahmen hoffen. Die EMA und EBA richten
jährlich Hunderte Konferenzen und Veranstaltungen mit Experten aus
aller Welt aus. Zuletzt sorgten beide Agenturen in London für rund
39 000 zusätzliche Hotelübernachtungen pro Jahr.