EU-Ratschef: Britisches Brexit-Angebot weniger als erwartet

23.06.2017 15:54

Theresa May gab sich überzeugt: Ihr Bleibe-Angebot für EU-Bürger in
Großbritannien sei «ernsthaft und fair». Die anderen Gipfelteilnehmer

sehen das Ganze allerdings ziemlich nüchtern.

Brüssel (dpa) - Die Europäische Union reagiert skeptisch auf die von
Großbritannien angebotenen Bleiberechte für rund 3,2 Millionen
EU-Bürger. «Mein erster Eindruck ist, dass das Angebot des
Vereinigten Königreichs hinter unseren Erwartungen zurückbleibt»,
sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitagnachmittag nach Ende des
EU-Gipfels in Brüssel. Doch werde das Verhandlungsteam das erwartete
schriftliche Angebot genau analysieren. Premierministerin Theresa May
verteidigte ihren Vorschlag hingegen.

May hatte in Aussicht gestellt, dass kein legal in Großbritannien
lebender EU-Bürger das Land nach dem EU-Austritt verlassen müsse.
Demnach soll jeder eine Chance auf einen dauerhaft gesicherten
Rechtsstatus bekommen. «Ich bleibe dabei, dass das ein ernsthaftes
und faires Angebot ist», erklärte May nach Abschluss der Beratungen.
Allerdings müsse die andere Seite ähnliche Zusagen auch für die
Briten in der EU machen.

Auf eine Frage nach den skeptischen Reaktionen weiterer
Gipfelteilnehmer entgegnete May: «Andere haben sehr positiv
reagiert.» Zweifel an ihrem Mandat für die Brexit-Verhandlungen nach
der erlittenen Wahlschlappe konterte May mit dem Hinweis, 80 Prozent
der britischen Wähler hätten für Parteien gestimmt, die das Votum f
ür
den EU-Austritt vor einem Jahr umsetzen wollten.

Österreichs Bundeskanzler Christian Kern hatte am Morgen zu Mays
Vorschlägen gesagt: «Das ist einmal ein Anfang, aber das löst
sicherlich noch nicht alle Probleme.» Zur Lage des Landes ein Jahr
nach dem Brexit-Referendum sagte er: «Die Analyse ist ganz klar:
Großbritannien hat sich da keinen Gefallen gemacht,
bedauerlicherweise auch für Europa nicht.» Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) hatte zuvor von einem «guten Anfang» gesprochen.