Brexit: May lobt ihr Angebot für EU-Bürger - Gipfel reagiert kühl

23.06.2017 17:06

Theresa May gibt sich überzeugt: Ihr Bleibe-Angebot für EU-Bürger in

Großbritannien sei «ernsthaft und fair». Die anderen Gipfelteilnehmer

sehen das Ganze allerdings ziemlich nüchtern.

Brüssel (dpa) - Die Europäische Union reagiert skeptisch auf die von
Großbritannien angebotenen Bleiberechte für rund 3,2 Millionen
EU-Bürger. «Mein erster Eindruck ist, dass das Angebot des
Vereinigten Königreichs hinter unseren Erwartungen zurückbleibt»,
sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitagnachmittag nach Ende des
EU-Gipfels in Brüssel. Doch werde das Verhandlungsteam das erwartete
schriftliche Angebot genau analysieren. Premierministerin Theresa May
verteidigte ihren Vorschlag hingegen.

May hatte in Aussicht gestellt, dass kein legal in Großbritannien
lebender EU-Bürger das Land nach dem EU-Austritt verlassen müsse.
Demnach soll jeder eine Chance auf einen dauerhaft gesicherten
Rechtsstatus bekommen. «Ich bleibe dabei, dass das ein ernsthaftes
und faires Angebot ist», erklärte May nach Abschluss der Beratungen.
Allerdings müsse die andere Seite ähnliche Zusagen auch für die
Briten in der EU machen.

Auf eine Frage nach den skeptischen Reaktionen weiterer
Gipfelteilnehmer entgegnete May: «Andere haben sehr positiv
reagiert.» Sie habe eine «positive Diskussion» mit der polnischen
Regierungschefin Beata Szydlo gehabt.

Zweifel an ihrem Mandat für die Brexit-Verhandlungen nach der
erlittenen Wahlschlappe konterte May mit dem Hinweis, 80 Prozent der
britischen Wähler hätten für Parteien gestimmt, die das Votum für d
en
EU-Austritt vor einem Jahr umsetzen wollten. Vor genau einem Jahr
hatten die britischen Wähler mehrheitlich für den Brexit gestimmt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich sehr zurückhaltend.

«Das war ein guter Anfang, aber auch noch nicht der Durchbruch, um es
mal vorsichtig zu sagen.» So seien bei Mays Vorschlag nach ihrem
Verständnis nicht die vier europäischen Grundfreiheiten gewahrt, also
Warenverkehrsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit,
Personenverkehrsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit. Wenn es hier
keine Garantien gebe, werde dies Auswirkungen haben für die künftigen
Beziehungen des Vereinigten Königreichs zur EU. «Das ist noch ein
langer Weg, der vor uns liegt», sagte Merkel mit Blick auf die
Verhandlungen.

Österreichs Bundeskanzler Christian Kern äußerte sich ähnlich: «D
as
ist einmal ein Anfang, aber das löst sicherlich noch nicht alle
Probleme.» Zur Lage des Landes ein Jahr nach dem Brexit-Referendum
sagte er: «Die Analyse ist ganz klar: Großbritannien hat sich da
keinen Gefallen gemacht, bedauerlicherweise auch für Europa nicht.»

Der Chef der britischen Labour-Partei warnte, EU-Bürger dürften nicht
als «Druckmittel» in den Brexit-Verhandlungen gebraucht werden. Die
Vorschläge von Premierministerin Theresa May lägen «weit unter» den

Garantien, die seine Partei zu machen bereit wäre, sagte der
Oppositionschef bei einem Gewerkschaftskongress in Brighton am
Freitag. «Das ist nicht nur das Richtige, sondern auch der beste Weg,
um die Rechte von Briten, die in der EU leben, zu garantieren.»