Merkel feiert neue Zuversicht und Tatkraft der EU

23.06.2017 17:55

An Tag zwei des Brüsseler EU-Gipfels geht es um Wirtschaft und Handel
- aber eben auch um den alten Dauerstreit über die
Flüchtlingspolitik, der die Partner inzwischen ziemlich entnervt.

Brüssel (dpa) - Nach dem EU-Gipfel verbreitet Bundeskanzlerin Angela
Merkel neue Zuversicht für die Zukunft der Europäischen Union. Die
CDU-Chefin bezog dies am Freitag vor allem auf den Neustart der
deutsch-französischen Beziehungen mit Präsident Emmanuel Macron.
Allerdings verhakten sich die 28 Staats- und Regierungschefs erneut
beim Dauerstreitthema Migration. Auch wurden sie sich nur schwer
einig über ihre Handelspolitik und den Schutz der heimischen
Wirtschaft. Großbritannien ist wegen des geplanten Brexits zunehmend
isoliert.

Vor allem am ersten Gipfeltag waren Merkel und ihren Kollegen einige
Beschlüsse ohne langen Streit gelungen. So trieben sie am Donnerstag
die gemeinsame Verteidigungspolitik voran und billigten die
Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland. Zudem stellten sich
die 28 Länder demonstrativ hinter das von US-Präsident Donald Trump
aufgekündigte Pariser Klimaabkommen. «Es war ein Rat der Zuversicht
und auch ein Rat der Tatkraft», zog Merkel am Ende bei einer
Pressekonferenz mit Macron Bilanz.

Einigkeit demonstrierten die 27 bleibenden EU-Länder auch gegenüber
Großbritannien beim Brexit. Premierministerin Theresa May, die Ende
März den Austritt aus der Gemeinschaft beantragt hatte, bot auf dem
Gipfel den 3,2 Millionen EU-Bürgern in ihrem Land Bleiberechte und
Rechtssicherheit an und sprach von einem «sehr fairen und ernsthaften
Angebot». Die übrigen EU-Länder reagierten jedoch zurückhaltend und

verwiesen auf die Brexit-Unterhändler, die sich damit befassen
sollen. Merkel sprach von einem guten Anfang, der aber noch nicht
genüge.

Die Eintracht in der EU reichte auch nicht für alle Themen. Die
Beratungen über die Handels- und die Flüchtlingspolitik dauerten
letztlich zwei Stunden länger als geplant. Bei der Verteilung von
Flüchtlingen habe es keine Fortschritte gegeben, sagte Merkel. Das
bleibe aber wichtiger Teil der europäischen Solidarität. Vor allem
Italien und Griechenland bräuchten Hilfe. Das verlangte auch
EU-Ratspräsident Donald Tusk.

Polen, Ungarn und Tschechien verweigern jedoch die Aufnahme. Macron
hatte dies vor dem Gipfel heftig kritisiert und damit empörte
Reaktionen der Länder provoziert. Nun mahnte der französische
Präsident erneut: «Wir müssen Solidarität zeigen, wenn ein Nachbar

mit einem enormen Zustrom an Flüchtlingen oder Migranten konfrontiert
ist.» Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo hielt dagegen:
«Polen schließt eine Unterstützung des Mechanismus einer
automatischen Umverteilung von Flüchtlingen aus», sagte sie.

Lange rangen die EU-Staaten auch um Instrumente zum Schutz der
heimischen Wirtschaft gegen Auswüchse der Globalisierung. Hier wollte
Macron besseren Schutz gegen Unternehmensaufkäufe in strategischen
Branchen, vor allem durch chinesische Firmen. Doch gab es Vorbehalte
aus Ländern, die dringend auf ausländische Investitionen hoffen.
Schließlich einigte man sich auf einen Formelkompromiss. Die
EU-Kommisison soll analysieren, welche strategischen Branchen genauer
unter die Lupe genommen werden sollen.

Skepsis kam wiederum von Szydlo. «Polen wird sich protektionistischen
Handlungen entschieden widersetzen», sagte die Regierungschefin. Doch
stellte Ratspräsident Tusk klar: «Europa ist und bleibt offen für
Geschäfte. Aber wir stimmten überein, dass wir unsere Menschen besser
vor unfairen Praktiken schützen müssen.»

Freuen kann sich die EU über gute Wirtschaftszahlen. Überall gebe es
Wachstum und die Beschäftigungszahlen hätten einen Höchststand
erreicht, sagte Tusk. «Zum ersten Mal seit vielen Jahren haben wir so
gute Neuigkeiten.»