Seehofer: EU soll der Türkei den Geldhahn zudrehen

22.07.2017 14:49

Es sind deutliche Worte an die Adresse des türkischen Präsidenten
Erdogan: CSU-Chef Seehofer nennt die politischen Verhältnisse in dem
Land unerträglich, die EU solle der Türkei den Geldhahn zudrehen.
Beim CSU-Bezirksparteitag für Oberbayern lobt Seehofer die Kanzlerin.

Germering (dpa/lby) - CSU-Chef Horst Seehofer fordert vor dem
Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklung in der Türkei, dass
die EU dem Land den Geldhahn zudreht. «Was in der Türkei seit Monaten
abläuft, ist unerträglich und indiskutabel», sagte Seehofer beim
Bezirksparteitag der oberbayerischen CSU am Samstag in Germering bei
München. Die EU solle die bis zum Jahr 2020 für die Türkei
vorgesehenen Zahlungen in Höhe von 4,2 Milliarden Euro stoppen,
forderte Seehofer. Erneut wandte sich der CSU-Vorsitzende gegen eine
Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union.

Mit Blick auf die Bundestagswahl in neun Wochen nannte Seehofer
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in seiner gut einstündigen Rede einen
international geachteten Stabilitätsanker: «Die Menschen wollen in
diesen aufgewühlten Zeiten erfahrene Politiker.» Zu den Differenzen
mit Merkel in der Flüchtlingspolitik, vor allem bei der Obergrenze
für die Aufnahme von Migranten, meinte Seehofer: «Man muss immer
wieder wissen, wann man eine Debatte wieder in Gemeinsamkeit
überführt.»

Die CSU hat zwar die Obergrenze von jährlich 200 000 neuen
Flüchtlingen in Deutschland in ihrem eigenen Wahlprogramm, dem
«Bayern-Plan», festgeschrieben, macht aber eine Regierungsbeteiligung
nicht mehr davon abhängig. Merkel lehnt die Obergrenze ab. Seehofer
verteidigte die Obergrenze dennoch. Wenn Flüchtlinge erst einmal in
Deutschland sind, sei die Chance, sie in ihr Ursprungsland
zurückzubringen, «verschwindend gering, wenn nicht unmöglich», mein
te
er zur Begründung.

Seehofer forderte die schnellstmögliche Aufklärung der Vorwürfe gegen

deutsche Autobauer wegen des Verdachts jahrelanger illegaler
Absprachen. «Was schiefgelaufen ist, muss aufgeklärt werden», sagte
er. Die Vorwürfe erschwerten die Gespräche mit der Autoindustrie zur
Abgasreduzierung. Gleichzeitig warnte der CSU-Chef vor einem Feldzug
gegen die Branche. Von der Automobilindustrie hingen nicht nur in
Bayern viele Arbeitsplätze ab. Er wies den Vorwurf zurück, zu
nachsichtig gegenüber der Automobilindustrie zu sein. Volkswagen,
Audi, Porsche, BMW und Daimler sollen sich in einem gemeinsamen
Kartell über Technik, Kosten und Zulieferer abgesprochen haben.

Bei dem Treffen der knapp 350 Delegierten wurde Wirtschaftsministerin
Ilse Aigner mit 96,7 Prozent als oberbayerische Bezirksvorsitzende
wiedergewählt. Vor zwei Jahren war sie mit 96,3 Prozent im Amt
bestätigt worden. Aigner führt den mitgliederstärksten der zehn
CSU-Bezirksverbände seit 2011. Seehofer selbst hatte die 52-Jährige
vorgeschlagen und vor allem deren Loyalität gewürdigt. «Ich habe
keine Sündenliste von Dir, ich habe nur eine Leistungsliste», sagte
er an seine Stellvertreterin im Amt des Ministerpräsidenten gewandt.