EU hatte schon Anfang Juli Informationen zu Fipronil-Eiern

09.08.2017 21:12

Belgien hat andere Staaten erst am 20. Juli offiziell über mögliche
Gesundheitsrisiken durch Fipronil-Eier informiert. Die EU-Kommission
hätte sich wohl schon deutlich früher einschalten können. Doch
Angaben zu Fipronil-Funden erregten dort keine Aufmerksamkeit.

Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission hat entgegen erster eigener Angaben
schon Anfang Juli Informationen zu Fipronil-Eiern erhalten. Dies geht
aus einem Bericht der belgischen Lebensmittelsicherheitsbehörde FASNK
vom Mittwoch hervor, der der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel
vorliegt. Die EU-Kommission bestätigte die Meldung an die
EU-Plattform auf dpa-Anfrage.

Eine Sprecherin der EU-Behörde hatte noch am Dienstag verneint, dass
ihre Behörde Infomationen zu den mit dem Insektengift Fipronil
belasteten Eiern in Belgien vor dem 20. Juli hatte. Im dem
Eier-Skandal erhob unterdessen der belgische Agrarminister schwere
Vorwürfe gegen die Niederlande, die diese zurückwiesen.

Es gab Dutzende Nachweise in Eiern niederländischer Produzenten,
Millionen dieser Eier waren nach Deutschland, die Schweiz und
Schweden geliefert worden. Alle Bundesländer - mit Ausnahme Sachsens
- waren betroffen. Millionen Eier wurden aus den Regalen von
Supermärkten genommen und vernichtet.

Belgien hatte laut FASNK-Bericht am 6. Juli über diese EU-Plattform
Informationen aus den Niederlanden angefragt, um die mutmaßliche
Verbreitung des Insektengifts im Geflügelsektor nachzuvollziehen zu
können. Belgische Ermittler pochten damals auf Mithilfe ihrer
niederländischen Kollegen.

Im Bericht der FASNK heißt es: «06.07.2017: Frage an die Niederlande
gerichtet über das Antibetrugssystem AAC-FF, mit Erläuterung der
Hypothesen betreffend die ursprüngliche Verunreinigung. Diese
Nachricht wird auch von den europäischen Instanzen gelesen, die das
System betreiben.» Betreiber ist die EU-Kommission.

Die EU-Kommission erklärte am Mittwoch auf Nachfrage der dpa, es habe
sich lediglich um einen Austausch zwischen den beiden Staaten
gehandelt. «Am 6. Juli gab es einen bilateralen Austausch zwischen
Belgien und den Niederlanden im Rahmen des so genannten
Administrativen Unterstützungs- und Kooperationssystems», sagte ein
Sprecher der dpa. «Die Kommission überwacht den Austausch im
Administrativen Unterstützungs- und Kooperationssystem (ACC) nicht
aktiv wie es beim Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel
(RASFF) der Fall ist.»

In der relevanten EU-Regelung heißt es zur Rolle der
EU-Kommission: «Sie überwacht den Informationsaustausch über das
AAC-System (...) im Hinblick auf Aktivitäten, die gegen Lebensmittel-
oder Futtermittelrecht verstoßen oder zu verstoßen scheinen und die
auf Unionsebene von besonderem Interesse sind». In einer anderen
EU-Verordnung steht: «Die Kommission koordiniert unverzüglich die
Maßnahmen der Mitgliedstaaten, wenn sie aufgrund von Informationen
aus den Mitgliedstaaten oder aus anderen Quellen Kenntnis von
Handlungen erhält, die gegen das Futtermittel- oder Lebensmittelrecht
verstoßen oder vermutlich verstoßen und für die Gemeinschaft von
besonderem Interesse sind.»

Am Dienstag hatte eine Sprecherin der EU-Kommission erklärt: «Die
EU-Kommission erfuhr erst am 20. Juli von mit Fipronil kontaminierten
Eiern, als die belgischen Behörden die Kommission über unser
Schnellwarnsystem informierten. Keinerlei Informationen über diesen
Verunreinigungs-Vorfall wurden der Kommission vor dem 20. Juli
geliefert, über technische oder irgendwelche anderen Kanäle.»

Erst am 20. Juli hatten die belgischen Behörden eine offizielle
Risikomeldung zu Fipronil in Eiern an das Schnellwarnsystem zur
Lebensmittelsicherheit geschickt, das ebenfalls dem Austausch unter
EU-Staaten dient und von der EU-Kommission betrieben wird. Im
Gegensatz zu dem Aufruf zur Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden
vom 6. Juli geht es hier um Verbraucherschutz.

Der belgische Agrarminister Denis Ducarme erklärte am Mittwoch,
seinem niederländischen Kollegen liege ein Bericht vor, wonach schon
im November 2016 bei Eiern im Land Fipronil gemessen wurde. Die
belgische Lebensmittelsicherheitsbehörde habe von einem internen
niederländischen Bericht nur über gute Kontakte in die Niederlande
erfahren, sagte Ducarme. Die niederländische Behörde für
Lebensmittelsicherheit (NVWA) bestritt, schon seit Ende 2016 über
Fipronil in niederländischen Hühnereiern informiert gewesen zu sein.
«Der Vorwurf, wir hätten im November 2016 von Fipronil in Eiern
gewusst, trifft nicht zu», heißt es in einer Erklärung des NVWA-Chefs

Rob van Lint vom Mittwoch.

Allerdings habe es einen anonymen Hinweis gegeben, dass das
Insektengift bei der Reinigung von Ställen zur Bekämpfung der
Blutlaus eingesetzt worden sei. «Die NVWA bekommt jedes Jahr Hunderte
von Tipps über vermutete Unregelmäßigkeiten», erklärte van Lint.
Ein
solcher Hinweis sei auch im November 2016 hinsichtlich der
Stallreinigung eingegangen. «Zu diesem Zeitpunkt gab es keine
Hinweise darauf, dass es ein akutes Risiko für die
Lebensmittelsicherheit geben könnte. Es gab keinen einzigen Hinweis
darauf, dass Fipronil sich auch in Eiern befinden könnte.»

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) forderte von
den Niederlanden und Belgien Aufklärung. In einem Gespräch mit der
«Neuen Osnabrücker Zeitung» (Donnerstag) sagte Schmidt: «In dieser

trüben Suppe muss endlich Klarheit geschaffen werden.» Sollte der
Vorwurf Belgiens an die Niederlande stimmen, wäre er «sehr
enttäuscht». Er erwarte, dass genau rekonstruiert werde, wer wann
welche Eier geliefert habe und ob Deutschland betroffen war.