Verfassungsexperten von Europarat kritisieren Ungarns Hochschulgesetz

11.08.2017 21:59

Jetzt äußert auch ein angesehenes Gremium des Europarats schwere
Einwände gegen das neue Gesetz, das eine US-geführte Elite-Uni in
Budapest zur Schließung zwingen soll. Ungarns rechtskonservative
Regierung zeigt weiterhin kein Verständnis für die Kritik.

Straßburg/Brüssel (dpa) - Nach der EU-Kommission haben sich nun auch
die Verfassungsexperten des Straßburger Europarats in den Streit um
das ungarische Hochschulgesetz eingeschaltet. Das Gesetz richte sich
de facto gegen die vom US-Milliardär George Soros gegründete Central
European University (CEU), erklärte die Venedig Kommission, die die
47 Mitgliedsländer des Europarats in verfassungsrechtlichen Fragen
berät, am Freitag in Straßburg. Der Europarat ist keine
EU-Institution. Die ungarische Regierung lehnte in einer ersten
Reaktion die Stellungnahme der Kommission ab.

Die Verfassungsexperten sehen zwar grundsätzlich kein Problem, die
Bestimmungen des Gesetzes auf ausländische Universitäten anzuwenden,

die noch nicht in Ungarn tätig sind. Doch bei Universitäten, die
bereits arbeiten, haben die Experten Einwände. Diese Einrichtungen
sollten beispielsweise von der Verpflichtung befreit werden, auch in
ihrem Sitzland eine Ausbildung anzubieten.

Das ungarische Regierungsinformationsamt wies diesen Vorschlag
umgehend zurück. «Unser Standpunkt ist, dass in dieser Hinsicht kein
doppeltes Maß akzeptiert werden darf», hieß es in der Erklärung, di
e
am Freitagabend über die amtliche Nachrichtenagentur MTI verbreitet
wurde. Das neue Gesetz gelte für die CEU ebenso wie für alle anderen
Hochschuleinrichtungen im Lande. Die Venedig-Kommission und andere
Kritiker führen allerdings an, dass das umstrittene Gesetz eben auf
die CEU zugeschnitten ist und andere Universitäten faktisch nicht
betrifft.

Im Streit um das Gesetz war die Brüsseler EU-Kommission bereits
rechtlich gegen Budapest vorgegangen. Ein bereits laufendes Verfahren
wegen Verletzung von EU-Recht kann in einer Klage vor dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH) münden. Ungarns nationalkonservativer
Regierungschef Viktor Orban regiert seit 2010 und geriet seither
immer wieder mit der EU aneinander - wegen Verfassungsreformen,
Mediengesetzen und Maßnahmen gegen ausländische Unternehmen.