Weitere umstrittene Justizreform tritt in Polen in Kraft

12.08.2017 03:30

Mitten in der Parlamentspause ist in Polen ein Teil der international
kritisierte Gerichtsreform in Kraft getreten - zumindest ein
Teilerfolg für die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit PiS.

Warschau (dpa) - In Polen ist am Samstag eine weitere umstrittene
Justizreform der nationalkonservativen Regierung in Kraft getreten.
Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Justizminister Zbigniew
Ziobro künftig Gerichtsvorsitzende ohne Grund entlassen und ohne
Rücksprache mit Juristen durch neue Kandidaten austauschen kann.
Dadurch könne er die Posten mit eigenen Kandidaten besetzen,
bemängelten Rechtsexperten und Regierungsgegner.

Trotz großer Proteste der Bevölkerung und eindringlicher Warnungen
der EU-Kommission hatte Präsident Andzej Duda das von der regierenden
Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) forcierte Gesetz Ende Juli
unterschrieben. Die EU-Kommission leitete daraufhin ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ein, das im letzten Schritt
sogar zur Verhängung von Strafgeldern führen könnte.

«Die neuen Vorschriften geben dem Justizminister die Möglichkeit,
Einfluss auf einzelne Richter zu nehmen, insbesondere durch vage
Kriterien für die Amtszeitverlängerung, die den Grundsatz der
Unabsetzbarkeit von Richtern untergraben», begründete die Brüsseler
Behörde den Schritt.

Weiterhin kritisiert die Kommission, dass die Justizreform von
Oktober an verschiedene Pensionsalter für Männer (65 Jahre) und
Frauen (60 Jahre) vorsieht. Die Regelung verstoße gegen die
EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen in
Arbeitsfragen sowie gegen den im EU-Vertrag verankerten Grundsatz des
gleichen Entgelts für Männer und Frauen, heißt es.

Aus Besorgnis wegen der Veränderungen des polnischen Justizsystems
hatte die EU-Kommission bereits 2016 ein allgemeines Verfahren zum
Schutz der Rechtsstaatlichkeit in dem Land eingeleitet. Diese
Untersuchung führte bislang allerdings noch zu keinen für Brüssel
befriedigenden Ergebnissen. Die EU-Kommission drohte deswegen zuletzt
die Einleitung eines weiteren Verfahrens an, das im letzten Schritt
sogar dazu führen könnte, dass Polen bei Abstimmungen im
EU-Ministerrat sein Stimmrecht verliert. Eine Frist für Warschau
läuft gegen Ende des Monats aus.

In letzten Stellungnahmen hatten Vertreter der EU-Kommission deutlich
gemacht, dass es nicht ausreichen dürfte, lediglich Pläne für weitere

Justizreformen zum Obersten Gericht und zu dem über die
Unabhängigkeit der Justiz wachenden Landesrichterrat abzuändern.
Gegen diese Vorhaben hatte Duda zuletzt ein Veto eingelegt, nachdem
im Juli in Polen Zehntausende Menschen gegen die umstrittenen Gesetze
protestiert hatten.