China in Zwickmühle zwischen Nordkorea und USA - Wie geht es weiter? Von Andreas Landwehr, dpa

14.08.2017 12:53

Sanktionen werden Nordkorea kaum vom Atomkurs abbringen - auch nicht
die Kriegsrhetorik von US-Präsident Trump. Die Angst vor einer
Eskalation wächst. Ein Umdenken wäre nötig, findet nicht nur China.

Peking (dpa) - Im Konflikt mit Nordkorea steckt China in der
Zwickmühle zwischen den USA und seinem störrischen Nachbarn. Beide
Seiten schaukeln sich seit Tagen mit ihrer Kriegsrhetorik hoch. Die
Gefahr einer Fehlkalkulation und militärischen Eskalation wächst.
China ist verärgert über Pjöngjangs nukleare Ambitionen, aber
misstraut auch den USA. Dass auf Donald Trump wenig Verlass ist,
demonstriert der US-Präsident aus chinesischer Sicht einmal mehr,
indem er ausgerechnet jetzt einen Handelsstreit mit China anzettelt,
wo er doch eigentlich seine selbsterklärte «Freundschaft» mit Staats-

und Parteichef Xi Jinping am meisten brauchen könnte.

Die Gegensätze sind enorm: Auf der einen Seite ein amerikanischer
Präsident, der Unberechenbarkeit und Bluff als staatsmännische Kunst
kultiviert. Auf der anderen Chinas Staatschef, der das Spiel
durchschaut und sehr langfristig denkt. Trump glaubt, dass allein
China die USA aus dem Schlamassel mit Nordkorea retten kann. Indem
der US-Präsident im Handel die Schrauben gegenüber Peking anzieht,
will er offenbar auch erreichen, dass China den Druck auf Pjöngjang
erhöht und die Sanktionen streng umsetzt.

Mit dem Montag verkündeten Importstopp für Kohle, Eisen,
Meeresfrüchte, Blei und Erze aus Nordkorea unter den neuen
UN-Sanktionen kappt China umgehend wichtige Geldströme. Aber Xi
Jinping ist überzeugt, dass sich Nordkorea auch durch noch so scharfe
Sanktionen weiter nicht von seinem Atomkurs abbringen lassen wird. Er
sieht den Schlüssel in den Händen der USA, die Nordkorea
entgegenkommen und dessen Sicherheitsbedürfnisse ernst nehmen
müssten: Im Gegenzug für eine Aussetzung des Atom- und
Raketenprogramms sollten die USA und Südkorea ihre gemeinsamen
Militärübungen einstellen, um so neue Gespräche zu starten.

«Es ist gefährlich, dass sowohl Nordkorea als auch die USA eine so
harte Linie fahren», warnt Zhang Liangui von der Parteihochschule in
Peking. «Im Moment hören weder Nordkorea noch die USA auf Chinas
Ratschläge.» Vergeblich mahnt Peking beide zur Mäßigung. «China i
st
nicht in der Lage, einen Konflikt zu verhindern», sagt der Experte.
«Wir können uns nur auf das Schlimmste vorbereiten und unsere
nationalen Interessen so weit wie möglich verteidigen.»

China verfolgt drei Prioritäten: «Kein Krieg, keine Instabilität und

keine Atomwaffen.» In dieser Reihenfolge kommt der Status Quo zuerst,
die Beseitigung der Atomwaffen nur als langfristiges Ziel.
«Stabilität hat weiter Vorrang vor Entnuklearisierung», stellt die
US-Denkfabrik Crisis Group fest. China wolle eher Nordkoreas
Verhalten in den Griff bekommen und die Spannungen verringern, als
die Atomwaffen zu beseitigen. China sehe sich dadurch auch nicht
direkt bedroht - anders als die USA, Südkorea und Japan.

China zögert, noch härtere Zwangsmaßnahmen wie eine Unterbrechung der

Öllieferungen oder der Zugverbindungen zu ergreifen, die zu einem
Kollaps in Nordkorea führen könnten. Ein Zusammenbruch könnte eine
unkontrollierbare Situation auslösen und zu Flüchtlingsströmen und
einer zwangsweisen Wiedervereinigung beider Koreas unter US-Führung
führen. Das könnte nicht nur US-Truppen an Chinas Grenze bringen,
sondern auch die geopolitische Balance in der Region verändern.

«China hat es gerade wirklich schwer, irgendetwas zu tun», sagt Jin
Qiangyi von der Yanbian Universität. Dass Nordkorea seine Atomwaffen
aufgibt, «ist nicht sehr wahrscheinlich». So stünden die USA vor
einer harten Entscheidung. Es gebe nur drei Möglichkeiten: «Erstens,
ein Militärschlag gegen Nordkorea.» Das würde zumindest Vergeltung
gegen Südkorea und Japan auslösen - wenn Nordkorea nicht die Ostküste

der USA erreichen könnte. «Zweite Möglichkeit: Die Spannungen dauern

an.» Aber auch dann würde es am Ende sehr wahrscheinlich zu einer
Eskalation kommen, ist der Experte überzeugt. Als dritte Möglichkeit
blieben also nur: «Verhandlungen».

Da es nur schlechte oder noch schlechtere Optionen gibt, drängen auch
amerikanische Experten die US-Regierung zu einem Umdenken. Es werden
Vergleiche mit der atomaren Bedrohung durch die Sowjetunion gezogen,
der auch mit Abschreckung, Eindämmung und Verhandlungen langfristig
begegnet worden sei. So könnte die USA den Nordkoreanern ein Angebot
unterbreiten: «Wir könnten ihnen einen Vorschlag machen, der ihnen
das meiste von dem anbietet, was sie haben wollen - im Gegenzug für
völlige Entnuklearisierung und Beseitigung ihres Raketenprogramms»,
schlägt Jeffrey Bader von der US-Denkfabrik Brookings vor.

Er nennt volle diplomatische Anerkennung, ein Ende des Embargos und
der Sanktionen, wirtschaftliche Hilfe und Investitionen sowie einen
Friedensvertrag, um das 64 Jahre alte Waffenstillstandsabkommen nach
dem Koreakrieg von 1950 bis 1953 abzulösen. Das liegt voll auf Chinas
Linie, auch wenn unklar ist, ob Nordkorea darauf eingehen würde.
Immerhin könnte es ein Start für Verhandlungen sein und würde allen
zeigen, dass die USA «nicht Teil des Problems, sondern Teil der
Lösung sind», wie es oft heißt.

«Die USA sollten sich gleichzeitig auf langfristige Bemühungen
vorbereiten, die wahrscheinlich notwendig sind, um ein
atomwaffenfähiges Nordkorea über die nächsten Jahre einzudämmen,
abzuschrecken und zu isolieren, bis Nordkorea sich entweder
reformiert oder zerbricht», rät Brookings-Experte Bader.