Rückzug von NGOs im Mittelmeer: Einsatz weiterer EU-Schiffe möglich

14.08.2017 18:29

Der vorläufige Rückzug einiger Hilfsorganisationen aus der
Seenotrettung im Mittelmeer scheint Brüssel und Rom nicht aus der
Fassung zu bringen. Gibt es einen Plan B, sollten es wieder mehr
Menschen auf die unsicheren Boote schaffen?

Rom/Brüssel (dpa) - Im zentralen Mittelmeer könnten nach dem
vorläufigen Rückzug mehrerer Hilfsorganisationen zusätzliche
EU-Schiffe zur Rettung von Migranten eingesetzt werden. Die
EU-Kommission brachte am Montag eine mögliche Ausweitung der
EU-Operation Triton ins Spiel. Bei Bedarf könne der Einsatzplan durch
die europäische Grenz- und Küstenwache angepasst werden, sagte eine
Sprecherin. Es sei aber an den Behörden in Italien, eine
entsprechende Anfrage zu stellen.

Im Innenministerium in Rom wird Medienberichten zufolge genau das
in Erwägung gezogen: Müssen wieder mehr Migranten gerettet werden,

könnten NGO-Schiffe durch Triton-Schiffe ersetzt werden. Angesichts
der deutlich sinkenden Zahlen an ankommenden Migranten in Italien
könnte das möglicherweise aber gar nicht nötig werden. Die libysche
Küstenwache zeigt seit einiger Zeit deutlich stärker Präsenz
im Mittelmeer - vermutlich auch auf Druck aus Rom und Brüssel hin.
Das habe Schmuggler in dem Bürgerkriegsland im Juli davon
abgeschreckt, die Migranten auf die Boote in Richtung Europa zu
setzen, teilte die EU-Grenzschutzagentur Frontex mit.

Am Wochenende hatten Ärzte ohne Grenzen, Sea Eye und Save the
Children angekündigt, sich vorläufig aus dem Rettungsgebiet vor
Libyen zurückzuziehen. Als Grund nannten sie Drohungen libyscher
Behörden gegen die humanitären Schiffe im Seenotrettungsgebiet in
Verbindung mit Ankündigungen aus Libyen, die eigene Such- und
Rettungszone auf internationale Gewässer auszuweiten.

Ob die Küstenwache das in die Tat umsetzt, beobachtet auch die
Bundesregierung mit Aufmerksamkeit. Es gebe aber noch kein klares
Lagebild darüber, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes unterstrich, eine Ausweitung der
Such- und Rettungszone könne nicht durch einseitige Erklärung
erfolgen, sondern nur in Abstimmung mit den Nachbarstaaten. Die
Bundesregierung erwarte von der Küstenwache und der libyschen
Führung, dass sie sich an internationales Recht hielten.

Seit Anfang August unterstützt die italienische Marine die libysche
Küstenwache technisch und logistisch im Kampf gegen Menschenhandel.
Von dem Einsatz erhofft sich die Regierung in Rom auch eine bessere
Kontrolle der Flüchtlingsströme.

Die EU dürfe angesichts der Drohungen gegen die privaten Seenotretter
«die kriminellen libyschen Bürgerkriegsmilizen» nicht weiter
unterstützen, forderte die innenpolitische Sprecherin der
Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Die Hilfsorganisationen
haben nach offiziellen Angaben in den vergangenen Monate zufolge 35
Prozent der Rettungen realisiert. «Wenn diese jetzt durch Libyen
bedroht oder durch Italien kriminalisiert werden, bedeutet das nichts
anderes, als den Tod Tausender in Kauf zu nehmen», sagte Jelpke.

Im Einsatzgebiet vor Libyen kreuzte am Montag zunächst nur die
«Aquarius» von der internationalen Organisation SOS Méditerrané
e. Die
Organisation Moas war aber ebenfalls auf dem Weg dorthin, hieß es bei
Twitter.

Auf der zentralen Mittelmeerroute zwischen Libyen und Italien sind in
diesem Jahr bereits mehr als 2400 Menschen ums Leben gekommen. Etwa
118 000 wurden gerettet, im Juli kamen um die 11 000 Menschen in
Italien an - laut Frontex die niedrigste Zahl für einen Juli seit
2014.