London schlägt Brüssel Übergangsphase für Zollunion nach Brexit vor

15.08.2017 16:27

Mit einer Reihe von Positionspapieren will die britische Regierung
ihren Standpunkt bei den Brexit-Verhandlungen festigen. Brüssel sieht
einen Schritt in die richtige Richtung, fordert aber ein Fortkommen
in wichtigen Trennungsfragen.

London/Brüssel (dpa) - Die britische Regierung hat Brüssel eine
zeitlich begrenzte Zollunion nach dem Austritt aus der Europäischen
Union vorgeschlagen. Eine solche Übergangsperiode könnte der
Wirtschaft im Vereinigten Königreich und in der EU mehr Sicherheit
geben, teilte das Brexit-Ministerium am Dienstag in London mit. In
dieser Phase werde Großbritannien weltweit neue Handelsbeziehungen
aufbauen. Als Dauer der Übergangslösung nannte Brexit-Minister David
Davis «ungefähr zwei Jahre».

Die Mitglieder der Zollunion haben sich auf einheitliche Einfuhrzölle
aus Drittländern geeinigt. Einmal im gemeinsamen Zollgebiet, müssen
Waren nicht mehr verzollt werden, wenn sie über eine Landesgrenze
gebracht werden. Kontrollen sind nicht mehr notwendig.

Die EU-Kommission begrüßte die Veröffentlichung der Positionspapiere

und kündigte eine sorgfältige Prüfung an. Man sehe dies als positiven

Schritt in Richtung eines echten Starts der ersten Verhandlungsphase,
sagte ein Sprecher am Dienstag. «Die Uhr tickt und das wird uns
erlauben, Fortschritte zu machen.» Die nächste Verhandlungsrunde mit
Großbritannien solle wie geplant in der letzten Augustwoche beginnen.

Zu inhaltlichen Aspekten der britischen Papiere wollte sich die
EU-Kommission nicht näher äußern. Sie verwies lediglich auf ihr
Grundprinzip, nachdem über die künftigen Beziehungen der EU zu
Großbritannien erst dann gesprochen werden soll, wenn «ausreichender
Fortschritt» bei den Diskussionen über die Trennungsfragen erreicht
ist. Dazu gehören die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem
britischen Nordirland, finanzielle Forderungen an London von bis zu
100 Milliarden Euro sowie die Bleiberechte von 3,2 Millionen
EU-Bürgern im Königreich und 1,2 Millionen Briten in der EU.

«Je schneller Großbritannien und die 27 EU-Staaten sich zu Bürgern,
finanziellem Ausgleich und Irland einigen, desto schneller können wir
über Zölle und künftige Beziehungen diskutieren», twitterte
EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Dienstag.

Als problematisch gilt vor allem die Forderung der Briten, während
einer Übergangsphase neue Handelsabkommen mit Drittländern
abzuschließen. Bislang liegt dafür die alleinige Zuständigkeit bei
der EU. London hofft nach dem Brexit auf vielversprechende neue
Freihandelsverträge mit Ländern wie den USA, China und Japan. Eine
geplante Reise von Premierministerin Theresa May nach Tokio Ende
August gilt als Signal in diese Richtung.

Brexit-Minister David Davis gab sich am Dienstag zuversichtlich.
Beide Seiten hätten ein Interesse an einem Übergangsabkommen. Eine
Fortzahlung des britischen Beitrags zum EU-Haushalt für den Zeitraum
schloss er in einem Interview mit dem BBC-Radio aber aus. «Um es
deutlich zu sagen, wir werden nicht die zehn Milliarden (Britische
Pfund - rund elf Milliarden Euro) an derzeitigen jährlichen Zahlungen
fortführen», sagte Davis am Dienstag. Wann eine Einigung über die
Abschlussrechnung mit der EU zu erwarten sei, ließ Davis offen.

Für Mittwoch kündigte das Brexit-Ministerium ein Positionspapier zur
neuen EU-Außengrenze auf der irischen Insel an. Alle Seiten wollen
Schlagbäume und Grenzposten an der über 300 Kilometer langen
Trennlinie verhindern. Wie das gehen soll, wenn Großbritannien
Zollunion und EU-Binnenmarkt verlässt, ist bislang unklar. Die
Menschen in Irland befürchten neben wirtschaftlichen Schäden eine
Rückkehr zur Gewalt in der Ex-Bürgerkriegsregion, sollte es zu einer
befestigten Grenze kommen.

Bislang verliefen die Verhandlungen zur Scheidung Großbritanniens von
der EU schleppend. Eine dritte Verhandlungsrunde zwischen London und
Brüssel ist Ende August geplant. Im Juni 2016 hatte sich eine
Mehrheit der britischen Wähler dafür ausgesprochen, die EU nach mehr
als 40 Jahren zu verlassen.