Russland, USA, EU, China, Türkei: Endspiel um den Balkan Von Thomas Brey, dpa

16.08.2017 13:55

In der Fußballsprache ist es das Endspiel der Weltmächte um Kontrolle
und Einflusssphären in Südosteuropa. Zurzeit steht es 1:0 für die
USA. Doch Russland hat noch nicht aufgegeben und sieht seine Chancen.

Belgrad (dpa) - Seit Jahrhunderten ist der westliche Balkan Spielfeld
für die Großmächte. Habsburg gegen Osmanen, westliches Wertesystem
gegen kommunistische Staaten, hießen in der Geschichte die Paarungen.
Jetzt geht es wieder um Macht und Einfluss in der Region. Diesmal
sind die USA und Russland in der Offensive. Aber auch China und die
Türkei mischen mit, während die EU trotz größtem personellen und
finanziellen Aufwand ins Hintertreffen gerät.

«Auf dem Balkan prallen Russland und die USA immer heftiger
aufeinander», analysierte vor wenigen Tagen die renommierte
Nachrichtenseite «t-portal» des jüngsten EU-Mitglieds Kroatien:
«Schon ein kleiner Konflikt kann das Pulverfass in Brand setzen.»
«Serbien jongliert zwischen Brüssel und Moskau», sorgt sich in dieser

Woche die größte Belgrader Zeitung «Blic». Und das serbische «Nov
i
Magazin» sieht einen «russisch-amerikanischen Energiekrieg auf dem
Boden Europas» - und den Balkan mittendrin.

Vor zwei Wochen besuchte US-Vizepräsident Mike Pence das kleine
Montenegro, das in diesem Jahr trotz heftigster Gegenwehr Russlands
der Nato beigetreten ist. «Hier auf dem Westbalkan arbeitet Russland
an der Destabilisierung der Region, um Ihre Demokratie zu untergraben
und Sie auseinanderzudividieren», sagte er vor praktisch allen
Regierungschefs der Region. Die USA unterstützten auch unter
Präsident Donald Trump Südosteuropa gegen Moskau.

Solche Kampfestöne riefen vor allem in Serbien Kritik hervor. Nicht
Russland, der Westen sei es, der hier alles destabilisiere, schimpfte
Außenminister Ivica Dacic. Belgrad versucht seit Jahren einen wahren
Eiertanz. Dem EU-Kandidaten kann es mit einem Beitritt zur Union gar
nicht schnell genug gehen. Mit dem historischen Freund Russland
werden gleichzeitig Sonderbeziehungen gepflegt. So gibt es das
«Serbisch-Russische Humanitäre Zentrum» in der zweitgrößten Stadt

Nis, das von Washington als Spionagezentrum bezeichnet wird. Zurzeit
wird mit Moskau verhandelt über sechs gebrauchte MIG-29-Flugzeuge,
neuere Panzer und Flugabwehrsysteme.

Die USA setzen auf die Energieversorgung. Sie drängen Kroatien,
endlich das geplante Flüssiggas-Terminal auf der Insel Krk an der
nördlichen Adria zu bauen. Das soll von Tankschiffen der USA gespeist
und mit einem ähnlichen Anlandepunkt im polnischen Swinemünde
verbunden werden. Südosteuropa soll so unabhängiger vom Gas aus
Russland werden. Auf Initiative Kroatiens und Polens wurde im letzten
Jahr die «Drei-Meere»-Region (Ostsee-Adria-Schwarzes Meer) ins Leben
gerufen. Zwölf Staaten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa wollen sich
mit tatkräftiger Unterstützung der USA besonders intensiv gegen
Moskau zur Wehr setzen.

Die EU beäugt den möglichen neuen Mitspieler mit Misstrauen. Ohnehin
hat man in Brüssel bemerkt, dass trotz vieler Milliarden Euro Hilfen
und trotz eines Heeres an Diplomaten und Experten Ansehen und
Einfluss auf dem Balkan begrenzt sind. Lösungen für Politkrisen wie
in Albanien und Mazedonien wurden zwar vorgeschlagen, aber erst durch
das massive Auftreten von US-Diplomaten durchgesetzt.

China hat in den letzten Jahren im Zuge seiner «neuen Seidenstraße»

hier Straßen und Brücken gebaut, Kredite vergeben und Kraftwerke
modernisiert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan besucht im
nächsten Monat Serbien und bringt gleich 150 Geschäftsleute mit.
Bisher hatte die Türkei die traditionell guten Beziehungen zu den
Muslimen in Bosnien-Herzegowina noch verbessert. Großzügig wurden die
im Bürgerkrieg zerstörten historischen Moscheen wieder aufgebaut.

Schließlich wird der Kampf um Einfluss auf dem Balkan über die Medien
ausgefochten. Die russische Agentur Sputnik schafft es mit ihrem
eigenen serbischen Programm tagtäglich in die Medien - und verstärkt
so die russische Sicht auf die Welt. Die US-Firma KKR, der schon
wichtige TV-Sender in der Region gehören, hat soeben Nova TV in
Kroatien und POP TV in Slowenien gekauft - die beliebtesten
Fernsehstationen. Auch die türkische Nachrichtenagentur Anadolu ist
vor allem in Bosnien stark. Vom TV- und Nachrichtenportal «Al Jazeera
Balkans» aus Katar in den Landessprachen ganz zu schweigen.