Deutschland baut Druck wegen EU-Beitrittsverhandlungen mit Türkei auf

07.10.2017 13:44

Brüssel/Berlin (dpa) - Die Bundesregierung sucht offenbar einen neuen
Hebel, um die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auszubremsen.
Beim EU-Gipfel Ende Oktober soll die EU-Kommission auf Wunsch
Deutschlands und anderer Länder offiziell Bericht erstatten, ob die
Türkei die Kriterien für Beitrittskandidaten erfüllt. Entsprechende
Informationen des «Spiegels» bestätigten EU-Diplomaten am Samstag.

Die Erwartung ist, dass der Bericht negativ ausfällt. Damit wüchse
der Druck, die Verhandlungen mit der Türkei zu beenden. Den Abbruch
hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Kandidat Martin Schulz
im Bundestagswahlkampf überraschend gefordert. Mit dem Ansinnen
blitzten Deutschland und Österreich jedoch Anfang September im Kreis
der EU-Länder ab.

Auch die EU-Kommission ist skeptisch. Nach «Spiegel»-Informationen
will sie ihren sogenannten Fortschrittsbericht erst im Frühjahr
vorlegen und stattdessen nur erklären, wie die sogenannten
Vorbeitrittshilfen für die Türkei reduziert werden könnten. Das Geld

fließt ohnehin nur spärlich: Von den zwischen 2014 und 2020
zugesagten 4,5 Milliarden Euro wurden bislang nur 250 Millionen
ausgezahlt.

Nach den von der EU vorgegebenen sogenannten Kopenhagener Kriterien
sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschen- und
Minderheitenrechte Voraussetzung für eine Mitgliedschaft. Deutschland
wirft der türkischen Führung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan
unter anderem willkürliche Verhaftungen deutscher Staatsbürger vor.

Bundeskanzlerin Merkel hatte bereits vor Wochen angekündigt, das
Thema beim EU-Gipfel auf die Tagesordnung zu bringen. Die Staats- und
Regierungschefs kommen am 19. und 20. Oktober in Brüssel zusammen.
Ein Abbruch der Verhandlungen muss von den 28 EU-Mitgliedern
einstimmig beschlossen werden.