EU-Gipfel in Brüssel: Worum geht es für Merkel und Co? Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa

19.10.2017 04:15

Brexit, Migration, Verteidigung: Die EU-Staats- und Regierungschefs
haben bei ihrem Gipfel in Brüssel einige Großthemen auf der Agenda.
Bundeskanzlerin Merkel allerdings hat nicht allzu viel Spielraum.

Brüssel (dpa) - Lahme Ente trifft Überflieger? Auf Bundeskanzlerin
Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ruhen in der
Europäischen Union große Hoffnungen - der deutsch-französische Motor

soll den Wagen endlich wieder ziehen. Doch beim EU-Gipfel Donnerstag
und Freitag in Brüssel dürfte das Duo noch nicht recht in Fahrt
kommen.

Zwar drängt Macron ungestüm zu Reformen in Europa. Merkel kann sich
aber vor der Koalitionsbildung in Berlin auf europäischer Bühne kaum
festlegen. So werden die 28 Staats- und Regierungschefs nur eine
kurze Zukunftsdebatte führen und sich im übrigen auch diesmal mit
Themen plagen, für die sie teils schon seit Jahren Lösungen suchen.

MIGRATION

Die große Krise der Jahre 2015 und 2016 ist vorerst vorbei - die Zahl
der Flüchtlinge und Migranten ist stark zurückgegangen. Auch auf der
Hauptroute über das zentrale Mittelmeer kamen im Sommer nach
EU-Angaben 64 Prozent weniger Menschen illegal nach Europa als ein
Jahr zuvor. Gründe sind das Vorgehen der libyschen Küstenwache gegen
Flüchtlingsboote und die engen Drähte Italiens zu Partnern in Libyen,
die Flüchtlinge frühzeitig stoppen sollen. Die EU spricht von einem
Erfolg, den es nun zu sichern gelte.

In einem Entwurf der Gipfel-Erklärung, der der Deutschen
Presse-Agentur vorliegt, wird die italienische Initiative
ausdrücklich gelobt und unterstützt. Betont wird, dass mehr Menschen
zurückgebracht werden sollen. Die Rede ist von «der Schaffung und
Anwendung der nötigen Hebel» einschließlich Entwicklungshilfe, Handel

und Visa-Vergabe. Ausdrücklich bekennt man sich zur Zusammenarbeit
mit libyschen Behörden. Langfristig will man die Fluchtursachen in
Afrika bekämpfen und dafür Geld einsammeln.

TÜRKEI, NORDKOREA, IRAN

Der Entwurf bekräftigt die Zusammenarbeit mit der Türkei bei
Flüchtlingsfragen. Auf Merkels Wunsch hin sollen aber die Beziehungen
insgesamt debattiert werden. Der im deutschen Wahlkampf geforderte
Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara steht indes nicht an
- Beschlüsse soll es nicht geben. In derselben Runde beim Abendessen
am Donnerstag erörtern die Staats- und Regierungschefs auch die
Nuklearkrise mit Nordkorea und den Streit über das von den USA in
Frage gestellte Atomabkommen mit dem Iran. Auch die Handelspolitik
steht auf dem Plan.

VERTEIDIGUNG

Die seit Jahren debattierte Verteidigungsunion scheint nun
tatsächlich voranzukommen. Der Gipfel soll bestätigen, dass die
sogenannte Pesco (Permanent Structured Cooperation oder Ständige
Strukturierte Zusammenarbeit) zum Jahresende startet. Ziel ist eine
engere Verzahnung von Verteidigungsprojekten. EU-Mitglieder, die sich
beteiligen wollen, sollen so schnell wie möglich ihre Anträge
offiziell einreichen.

DIGITALES

Estland, das derzeit den Vorsitz der EU-Länder führt, hat die
Digitalisierung zum Topthema gemacht. Beim Gipfel gefordert werden
sollen digitale Behördendienste, einheitliche Regeln im Binnenmarkt,
ein Ausbau des schnellen Internets, gemeinsame Schutzmaßnahmen gegen
Cyberangriffe und Fortbildungen, um Arbeitnehmer fit für digitale
Jobs zu machen. Streitpunkt dürfte die Initiative Deutschlands und
anderer Länder zur Besteuerung der Geschäfte von US-Internetgiganten
in Europa sein. Die Interessen der EU-Länder gehen auseinander. Doch
heißt es im Entwurf immerhin: «Es ist wichtig sicherzustellen, dass
alle Unternehmen ihren fairen Anteil an Steuern zahlen und alle die
gleichen Bedingungen haben.»

BREXIT

Der EU-Austritt Großbritanniens ist am Freitag Thema eines getrennten
Treffens der 27 bleibenden EU-Staaten. Anders als ursprünglich
geplant, werden sie noch nicht die Verhandlungen über das von London
gewünschte Handelsabkommen einläuten. Denn die EU ist unzufrieden mit
den bisherigen Gesprächen über Trennungsfragen. Doch gibt sie ein
Signal: Wenn es bis Dezember ordentlich vorangeht und man auch
finanzielle Zusagen bekommt, könnte Phase zwei dann direkt starten.