May wendet sich mit Brexit-Brief direkt an EU-Ausländer

19.10.2017 13:19

Die Brexit-Verhandlungen zwischen Brüssel und London sind zäh. Der
EU-Gipfel könnte für Premierministerin May unangenehm werden. In
einem offenen Brief wendet sie sich an die EU-Ausländer.

London (dpa) - Eine Einigung zu den Bleiberechten von EU-Ausländern
in Großbritannien ist nach Ansicht von Premierministerin Theresa May
zum Greifen nah. London wolle es den EU-Ausländern im Vereinigten
Königreich nach dem Austritt aus der Europäischen Union so einfach
wie möglich machen, weiter im Land zu leben, teilte May anlässlich
des zweitägigen EU-Gipfels in Brüssel mit.

«EU-Bürger, die heute rechtmäßig in Großbritannien leben, dürfe
n
bleiben», heißt es in ihrem offenen Brief an die EU-Ausländer, der in

der Nacht zum Donnerstag veröffentlicht wurde. Hierfür seien
Registrierungen nötig. Die Kosten und der Aufwand sollten möglichst
gering gehalten werden. In sozialen Medien kritisierten viele
Betroffene das Schreiben als zu unkonkret. In Großbritannien leben
3,2 Millionen andere EU-Bürger, in den übrigen EU-Staaten 1,2
Millionen Briten.

Am Freitag, dem zweiten Gipfeltag, wollen die verbleibenden 27
EU-Länder über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen
Union beraten - aber ohne May.

Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, ist auch
nach Brüssel gereist. Er wollte unter anderem mit EU-Chefunterhändler
Michel Barnier und dem EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani
sprechen, wie eine Labour-Sprecherin sagte. Corbyn wirft der
britischen Regierung heillose Zerstrittenheit im Brexit-Kurs vor.

May drohte ein unangenehmer EU-Gipfel. Großbritanniens Forderung nach
einer schnellen Ausweitung der Verhandlungen soll bei dem Treffen in
Brüssel einem Entwurf zufolge abgelehnt werden. Über die künftigen
Beziehungen zu Großbritannien will die Staatengemeinschaft jedoch
erst sprechen, wenn «ausreichende Fortschritte» bei den wichtigsten
Trennungsfragen - darunter die Bleiberechte - erzielt worden sind.

Außerdem muss der künftige Status der Grenze zwischen dem EU-Mitglied
Irland und dem britischen Nordirland geklärt werden. Am meisten
Streit gibt es um die Schlussrechnung von bis zu 100 Milliarden Euro:
London soll gemeinsam eingegangene EU-Finanzverpflichtungen für
Haushalt, Fördertöpfe und Pensionslasten bezahlen.

Auf einer Rede in Florenz hatte May im September eine zweijährige
Übergangsphase vorgeschlagen. Indirekt hatte sie damals die
Bereitschaft Londons erklärt, etwa 20 Milliarden Euro zu zahlen.
Großbritannien wird Ende März 2019 aus der EU austreten.

Die Gespräche in Brüssel können nach Ansicht des britischen
Brexit-Ministers David Davis kein Ergebnis bringen, wenn Brüssel
darauf beharrt, alle Trennungsfragen zuerst zu lösen. «Gemessen an
EU-Standards sind wir blitzschnell. Es gibt viele Bereiche, etwa
Nordirland, wo wir aber nicht weitergehen können ohne eine Einigung
über unsere künftige Beziehung», sagte Davis der «Welt». Er wies
auch
Vorwürfe zurück, die britische Seite stelle sich bisher bei den
Verhandlungen quer: «Wir haben versucht, konstruktiv zu sein.»