Ausweitung der Brexit-Verhandlungen frühestens im Dezember

20.10.2017 11:50

Tag zwei des EU-Gipfels in Brüssel steht ganz im Zeichen eines
angekündigten Abschieds: Die britische Premierministerin hofft auf
ein Einlenken der EU - beißt aber auf Granit.

Brüssel (dpa) - Im Streit über den Brexit bleibt die Europäische
Union hart und fordert weitere konkrete Zugeständnisse von
Großbritannien, bevor die Austrittsverhandlungen ausgeweitet werden.
Diesen Beschluss fassten die 27 bleibenden EU-Länder am Freitag in
Brüssel einmütig. Eine Rede von Premierministerin Theresa May am
Vorabend hatte sie nicht ungestimmt. Bundeskanzlerin Angela Merkel
zeigt sich aber sehr zuversichtlich, dass es letztlich eine Einigung
gibt und somit auch kein harter Brexit droht.

«Ich habe da eigentlich überhaupt gar keinen Zweifel, wenn wir
geistig alle klar sind», sagte die CDU-Chefin am frühen
Freitagmorgen. Sie sehe «null Indizien dafür, dass das nicht gelingen
kann». Großbritannien habe schon deutliche Signale gesetzt, nur «noch

nicht genug, um Etappe zwei (der Verhandlungen) zu beginnen». Aus
Merkels Sicht könnte das aber im Dezember klappen.

Großbritannien will so schnell wie möglich über ein Handelsabkommen
mit der EU für die Zeit nach dem Austritt sprechen - eine Frage, an
der Hunderttausende von Jobs und die Zuversicht der Wirtschaft hängen
könnten. Brüssel verlangt aber vorher Zusagen aus London bei
wichtigen Fragen der Trennung nach mehr als 40 Jahren
EU-Mitgliedschaft und unter anderem eine Schlusszahlung von bis zu
100 Milliarden Euro. Ursprünglich wollte man das bis zum jetzigen
Gipfel geklärt haben, nun wird für das nächste Treffen im Dezember
eine Entscheidung erwartet.

May warb in einer Rede beim Abendessen mit den übrigen EU-Staats- und
Regierungschefs noch einmal für ihre Position. So seien bei der Frage
der Rechte von EU-Bürgern und der künftigen Grenze zwischen Irland
und dem britischen Nordirland erhebliche Fortschritte gemacht worden,
sagte sie nach Angaben von Diplomaten. Auch erinnerte sie demnach an
ihre Zusage, finanzielle Verpflichtungen einhalten zu wollen.

Damit erreichte sie aber keine Bewegung. «Ich denke, es war ihr
bester Auftritt bisher», sagte Maltas Regierungschef Joseph Muscat am
Freitag. «Aber ich denke, es hat nicht wirklich etwas geändert.» Der

österreichische Kanzler Christian Kern forderte: «Wenn man bei dem
Brexit bleiben möchte, ist jetzt langsam der Zeitpunkt, die Karten
auf den Tisch zu legen.» Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker mahnte mehr Details an.

Die 27 bleibenden EU-Länder wollten sich den Stand der seit Juni
laufenden Brexit-Verhandlungen am späten Freitagvormittag noch einmal
genau vornehmen und das weitere Vorgehen ohne Großbritannien
besprechen. Vorab hatte es geheißen, man werde jetzt noch nicht Phase
zwei starten, aber sich für Dezember darauf vorbereiten.

Zu Beginn des zweiten Gipfeltages erörterten die Staats- und
Regierungschefs zusammen mit May mögliche Reformen des Bündnisses,
wie sie vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron
vorantreiben will. Ratspräsident Donald Tusk hatte einen Fahrplan bis
Mitte 2019 vorgelegt und vorschlagen, mehr schwierige Sachfragen auf
Chefebene zu lösen, darunter auch Reformen der Eurozone. Aus der
Runde der 28 Chefs habe er dafür am Freitag einmütige Unterstützung
bekommen, hieß es von EU-Diplomaten.

Am Donnerstag hatten sich die Staats- und Regierungschefs auf Merkels
Wunsch mit der Türkeipolitik befasst und sich darauf verständigt, die
EU-Finanzhilfen zur Vorbereitung eines Beitritts der Türkei zu
kürzen. Zudem einigte sich der Gipfel auf eine Strategie, die
Flüchtlingsroute über das zentrale Mittelmeer vollständig zu kappen.

Dabei will die EU eng mit Libyen zusammenarbeiten. Der EU-Fonds zur
Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika soll aufgefüllt werden.

Der EU-Gipfel sprach sich auch dafür aus, das Atomabkommen mit dem
Iran aufrechtzuerhalten. Dazu sollten auch Gespräche mit dem
US-Kongress geführt werden. Die Chefs der EU-Länder warnten ferner
die USA davor, im Nordkorea-Konflikt einen militärischen Weg zu
beschreiten. Sie drohten Nordkorea aber weitere Sanktionen an.