EU hofft auf Durchbruch beim Brexit bis Dezember

20.10.2017 14:43

Tag zwei des EU-Gipfels in Brüssel steht ganz im Zeichen eines
angekündigten Abschieds: Die britische Premierministerin hofft auf
ein Einlenken der EU - beißt aber auf Granit.

Brüssel (dpa) - Im Streit über den Brexit hofft die Europäische Union

auf einen Durchbruch bis Dezember: Dann könnten Verhandlungen über
einen neuen Handels- und Zukunftspakt zwischen der EU und
Großbritannien starten. Die 27 bleibenden Länder forderten am Freitag
beim EU-Gipfel zwar zunächst weitere Zugeständnisse von London,
betonten aber auch ihren guten Willen. Bundeskanzlerin Angela Merkel
äußerte sich sehr zuversichtlich, dass es letztlich eine Einigung
gibt und somit auch kein harter Brexit droht.

«Ich habe da eigentlich überhaupt gar keinen Zweifel, wenn wir
geistig alle klar sind», sagte die CDU-Chefin. Sie sehe «null
Indizien dafür, dass das nicht gelingen kann». Großbritannien habe
schon deutliche Signale gesetzt, nur «noch nicht genug, um Etappe
zwei (der Verhandlungen) zu beginnen». Aus Merkels Sicht könnte das
im Dezember klappen. EU-Ratspräsident Donald Tusk äußerte sich
ähnlich.

Brüssel verlangt aber Zusagen aus London bei wichtigen Fragen der
Trennung nach mehr als 40 Jahren EU-Mitgliedschaft, vor allem eine
Schlusszahlung für seine Verbindlichkeiten von bis zu 100 Milliarden
Euro. Das sei «das herausragende Thema», sagte Merkel. Erst wenn hier
«ausreichender Fortschritt» erreicht ist, sollen in einer zweiten
Verhandlungsphase die künftigen Beziehungen geklärt werden.
Großbritannien möchte damit jedoch so schnell wie möglich starten -
zumal an dem Abkommen Hunderttausende von Jobs und die Zuversicht der
Wirtschaft hängen könnten.

Die britische Premierministerin Theresa May warb bei dem
Gipfeltreffen mit den übrigen Staats- und Regierungschefs noch einmal
für ihre Position und forderte Entgegenkommen. Konkrete Zusagen zu
den Finanzen vermied May. «Wir werden unsere Verpflichtungen
einhalten, die wir während unserer EU-Mitgliedschaft eingegangen
sind», sagte sie, fügte aber an: «Wir werden diese Zeile für Zeile

durchgehen.» Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern
berichtete aber immerhin, es gebe «eine langsame Annäherung, vor
allem was die Summen betrifft».

May hatte vor einigen Wochen in Florenz eine Rede mit neuen
Vorschlägen zum Brexit gehalten und unter anderem eine zweijährige
Übergangsphase ins Gespräch gebracht. Das würde etwas Zeitdruck aus
der Klärung der Trennung nehmen, die Ende März 2019 vollzogen wird.
Merkel nannte diese Forderung Mays eine «interessante Idee». Auch
darüber kann aus ihrer Sicht aber erst in der zweiten
Verhandlungsphase gesprochen werden.

Zu Beginn des zweiten Gipfeltages erörterten die Staats- und
Regierungschefs zusammen mit May mögliche Reformen des Bündnisses,
wie sie vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron
vorantreiben will. Ratspräsident Donald Tusk hatte einen Fahrplan bis
Mitte 2019 vorgelegt und vorschlagen, mehr schwierige Sachfragen auf
Chefebene zu lösen, darunter auch Reformen der Eurozone. Aus der
Runde der 28 Staats- und Regierungschefs erhielt er dafür
Rückendeckung, wie Merkel bestätigte.

Am Donnerstag hatten sich die Eu-Chefs auf Merkels Wunsch mit der
Türkeipolitik befasst und sich darauf verständigt, die
EU-Finanzhilfen zur Vorbereitung eines Beitritts der Türkei zu
kürzen. Zudem einigte sich der Gipfel auf eine Strategie, die
Flüchtlingsroute über das zentrale Mittelmeer vollständig zu kappen.

Dabei will die EU eng mit Libyen zusammenarbeiten. Der EU-Fonds zur
Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika soll aufgefüllt werden.

Der EU-Gipfel sprach sich auch dafür aus, das Atomabkommen mit dem
Iran aufrechtzuerhalten. Dazu sollten auch Gespräche mit dem
US-Kongress geführt werden. Die Chefs der EU-Länder warnten ferner
die USA davor, im Nordkorea-Konflikt einen militärischen Weg zu
beschreiten. Sie drohten Nordkorea aber weitere Sanktionen an.