EU fordert von May klare Ansage zu Finanzen für Brexit

20.10.2017 16:45

Einst verlangten die Briten in Brüssel ihr Geld zurück. Beim jüngsten

EU-Gipfel verkehren sich die Rollen: Die EU-Partner wollen
Großbritannien nur geordnet ziehen lassen, wenn das Land für den
Brexit klare finanzielle Zusagen macht.

Brüssel (dpa) - Im Streit über den Brexit gibt die Europäische Union

den Briten acht Wochen Zeit für die Erfüllung ihrer Forderungen. Beim
EU-Gipfel in Brüssel reichten den bleibenden 27 Ländern am Freitag
die Fortschritte in den Verhandlungen noch nicht. Nun könnte erst das
nächste Gipfeltreffen im Dezember die Verhandlungsphase über einen
neuen Handels- und Zukunftspakt zwischen der EU und Großbritannien
freigeben. Die 27 forderten klare Zusagen Londons in Finanzfragen,
betonten aber auch ihren guten Willen. Bundeskanzlerin Angela Merkel
äußerte sich zuversichtlich, dass es letztlich eine Einigung gibt und
somit auch kein harter Brexit droht.

«Ich habe da eigentlich überhaupt gar keinen Zweifel, wenn wir
geistig alle klar sind», sagte die CDU-Chefin. Sie sehe «null
Indizien dafür, dass das nicht gelingen kann». Großbritannien habe
schon deutliche Signale gesetzt, nur «noch nicht genug, um Etappe
zwei (der Verhandlungen) zu beginnen». Aus Merkels Sicht könnte das
im Dezember klappen. EU-Ratspräsident Donald Tusk äußerte sich
ähnlich. Der französische Präsident Emmanuel Macron erkannte einen
guten Willen der Briten an, warnte aber: «Auf finanziellem Gebiet
bleibt Großbritannien noch eine große Anstrengung zu tun.»

Großbritannien gehört seit mehr als 40 Jahren zur EU. Für einen
Ausstieg verlangt Brüssel Zusagen, vor allem eine Schlusszahlung für
Londons Verbindlichkeiten von bis zu 100 Milliarden Euro. Das sei
«das herausragende Thema», sagte Merkel. Erst wenn hier
«ausreichender Fortschritt» erreicht ist, sollen in einer zweiten
Verhandlungsphase die künftigen Beziehungen geklärt werden.
Großbritannien möchte damit jedoch so schnell wie möglich starten -
zumal an dem Abkommen Hunderttausende von Jobs und die Zuversicht der
Wirtschaft hängen könnten.

Die britische Premierministerin Theresa May warb bei dem
Gipfeltreffen mit den übrigen Staats- und Regierungschefs noch einmal
für ihre Position und forderte Entgegenkommen. Konkrete Zusagen zu
den Finanzen vermied May. «Wir werden unsere Verpflichtungen
einhalten, die wir während unserer EU-Mitgliedschaft eingegangen
sind», sagte sie, fügte aber an: «Wir werden diese Zeile für Zeile

durchgehen.» Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern
berichtete aber immerhin, es gebe «eine langsame Annäherung, vor
allem was die Summen betrifft».

May hatte vor einigen Wochen in Florenz eine Rede mit neuen
Vorschlägen zum Brexit gehalten und unter anderem eine zweijährige
Übergangsphase ins Gespräch gebracht. Das würde etwas Zeitdruck aus
der Klärung der Trennung nehmen, die Ende März 2019 vollzogen wird.
Merkel nannte diese Forderung Mays eine «interessante Idee». Auch
darüber kann aus ihrer Sicht aber erst in der zweiten
Verhandlungsphase gesprochen werden.

Zu Beginn des zweiten Gipfeltages erörterten die Staats- und
Regierungschefs zusammen mit May mögliche Reformen des Bündnisses,
wie sie vor allem Macron vorantreiben will. Ratspräsident Donald Tusk
hatte einen Fahrplan bis Mitte 2019 vorgelegt und vorschlagen, mehr
schwierige Sachfragen auf Chefebene zu lösen, darunter auch Reformen
der Eurozone. Aus der Runde der 28 Staats- und Regierungschefs
erhielt er dafür Rückendeckung, wie Merkel bestätigte.

Trotz Widerständen aus anderen EU-Ländern will Macron auch sein
Vorhaben einer Besteuerung von Internet-Giganten vorantreiben. Er
setze dabei auch auf die Zusammenarbeit mit Deutschland, sagte er. Es
sei ein Problem, dass große Internetfirmen in manchen Mitgliedstaaten
bislang keine Mehrwertsteuer zahlten. «Wenn wir eine gemeinsame
Besteuerung in Europa schaffen - ich glaube nicht, dass Google und
Facebook da ihr Geschäft in Europa aufgeben würden», sagte Macron.
«Der europäische Markt ist zu groß.»

Am Donnerstag hatten sich die EU-Chefs auf Merkels Wunsch mit der
Türkeipolitik befasst und sich darauf verständigt, die
EU-Finanzhilfen zur Vorbereitung eines Beitritts der Türkei zu
kürzen. Zudem einigte sich der Gipfel auf eine Strategie, die
Flüchtlingsroute über das zentrale Mittelmeer vollständig zu kappen.

Dabei will die EU eng mit Libyen zusammenarbeiten. Der EU-Fonds zur
Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika soll aufgefüllt werden.

Der EU-Gipfel sprach sich auch dafür aus, das Atomabkommen mit dem
Iran aufrechtzuerhalten. Dazu sollten auch Gespräche mit dem
US-Kongress geführt werden. Die Chefs der EU-Länder warnten ferner
die USA davor, im Nordkorea-Konflikt einen militärischen Weg zu
beschreiten. Sie drohten Nordkorea aber weitere Sanktionen an.