EU-Pläne für schärfere CO2-Vorgaben für Autos stoßen auf Kritik

08.11.2017 15:53

Weniger Belastung fürs Klima, zugleich eine leistungsfähigere
Autoindustrie - die EU-Kommission verspricht sich viel von ihrem
Paket für klimafreundlicheren Verkehr. Aber Kritik ließ nicht lange
auf sich warten.

Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission hat ihre Klimaschutzpläne für Autos

bis 2030 offiziell beschlossen und damit sofort heftige Kritik auf
sich gezogen. Umweltschützer geißelten die vorgesehene Senkung des
Kohlendioxid-Ausstoßes um 30 Prozent am Mittwoch als zu gering, der
Autoindustrie geht die Vorgabe viel zu weit. Brüssel verspricht sich
davon aber nicht nur wirksamen Klimaschutz und einen Innovationsschub
für saubere Autos, sondern auch handfeste Einsparungen für
Verbraucher an der Zapfsäule.

Klimakommissar Miguel Arias Cañete rechnete aus heutiger Sicht vor,
dass Tanken für einen Neuwagen 2025 im Schnitt jährlich um 600 Euro
billiger werde, 2030 sogar um 1500 Euro. Bei Ölimporten könne Europa
2030 rund sechs Milliarden Euro sparen. Bis zu 70 000 neue Jobs seien
zu erwarten. Und die Vorschläge würden helfen, so viel Klimagase
einzusparen, wie Griechenland und Österreich zusammen pro Jahr in die
Luft bliesen, sagte Arias Cañete.

Die Pläne waren schon am Dienstag bekannt geworden. So sollen
Neuwagen bis zum Jahr 2025 im Schnitt zunächst 15 Prozent weniger
Kohlendioxid ausstoßen, bis 2030 dann 30 Prozent weniger. Sonst
drohen den Autobauern empfindliche Strafen. Arias Cañete betonte, die
Einhaltung der Ziele werde künftig strenger kontrolliert. Dazu würden
Verbrauchsanzeigen für alle Neuwagen vorgeschrieben.

Darüber hinaus will die Kommission bis 2030 möglichst 30 Prozent
Neuwagen mit Elektro- oder anderen alternativen Antrieben auf die
Straße bringen. Dafür stellt sie 800 Millionen Euro zum Ausbau von
Ladestationen für Elektroautos in ganz Europa bereit. Geplant sind
auch Vorschriften zur Anschaffung von abgasarmen Autos bei Behörden
und die Förderung öffentlicher Verkehrsmittel.

Für Hersteller will die EU-Behörde ein Anreizsystem: Wenn die
Konzerne ihren Anteil an Modellen mit wenig oder gar keinen Abgasen
rasch steigern, sollen sie beim Erreichen der CO2-Ziele Bonuspunkte
bekommen. Dies gilt, wenn 2025 mehr als 15 Prozent und 2030 mehr als
30 Prozent ihrer verkauften Flotte emissionsarm sind.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, er wolle Europa in
eine Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel bringen, zumal die
USA ihre Ambition aufgegeben hätten. Sein Vizepräsident Maros
Sefcovic beschwor eine Führungsrolle auch für die europäische
Industrie, die die «besten, saubersten und wettbewerbfähigsten Autos»

bauen solle.

Die Hersteller stellen sich jedoch quer. Der europäische Verband ACEA
kritisierte vor allem, dass schon für 2025 ein verbindliches
Zwischenziel vorgesehen ist. Das lasse zu wenig Zeit. Der Verband der
Automobilindustrie erklärte, es sei mehr als fraglich, dass die neuen
CO2-Werte zu schaffen seien.

Von Grünen und Umweltschützern kam nicht weniger heftige Kritik, nur
mit anderer Stoßrichtung. «Die EU-Kommission ist vor den
Autoherstellern eingeknickt», monierte der ökologisch ausgerichtete
Verkehrsclub VCD. «Dieser lasche Vorschlag wird den Verkehrssektor
nicht auf Klimakurs bringen.» Der Grünen-Bundestagsfraktionsvize
Oliver Krischer nannte den Entwurf eine Mogelpackung. Sein
Europakollege Sven Giegold verlangte eine Senkung der
Kohlendioxidwerte um 60 Prozent bis 2030.

Ähnlich drastische Einschnitte hält das Umweltbundesamt für nötig.

UBA-Präsidentin Maria Krautzberger erklärte: «Wir brauchen eine
Minderung der CO2-Flottengrenzwerte von fast 70 Prozent im Jahr 2030
gegenüber 2021.»

Derzeit reichen die Regeln bis 2021. Dann dürfen alle Modelle eines
Herstellers im Mittel nur 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Die
neuen Zielvorgaben bauen darauf auf und gelten für die Jahre 2022 bis
2030. Künftig werden die Ziele aber nur noch in prozentualen
Minderungsvorgaben ausgedrückt.

Die Kritiker hoffen nun auf das Gesetzgebungsverfahren, an dem das
Europaparlament und die EU-Mitgliedsländer beteiligt sind. Die
Bundesregierung ist für Ziele, die «ehrgeizig sein sollen und
erreichbar», wie Sprecher Steffen Seibert sagte. Wie sie sich genau
positioniert, hängt vom Ausgang der Koalitionsgespräche von Union,
FDP und Grünen ab.