Amtierende Bundesregierung will auf EU-Ebene höheren Wehretat zusagen

10.11.2017 20:15

Der kommende Montag soll für die europäische Verteidigungspolitik ein
Tag zum Feiern werden. Dafür muss allerdings auch Deutschland
weitreichende Verpflichtungen eingehen - obwohl es noch keine neue
Bundesregierung gibt.

Brüssel (dpa) - Die amtierende Bundesregierung will ungeachtet der
noch laufenden Sondierungsgespräche nach der Bundestagswahl ein neues
Versprechen zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben abgeben. In einem
EU-Dokument, das Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU)
und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montag in Brüssel
unterzeichnen wollen, verpflichtet sich Deutschland, seinen
Verteidigungshaushalt «regelmäßig real» zu erhöhen. Das Dokument

liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Heikel ist das Vorgehen der Bundesregierung vor allem deswegen, weil
sie seit Oktober nur noch geschäftsführend im Amt ist und derzeit die
Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen laufen. Die
Grünen standen größeren Erhöhungen der Verteidigungsausgaben bis
zuletzt kritisch gegenüber. Die von Union und SPD im Jahr 2016
beschlossene Erhöhung für dieses Jahr lehnten sie im Bundestag
beispielsweise als überzogen ab.

Aus der Bundesregierung hieß es am Freitag, dass mit der Unterschrift
nur bereits bestehende Pläne und Verpflichtungen bestätigt würden. So

wird beispielsweise auf das Zwei-Prozent-Ziel der Nato verweisen.
Dieses sieht vor, dass alle Länder darauf «abzielen» sollen,
spätestens von 2024 an zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für
Rüstung und Militär auszugeben. Die EU-Formulierung ist allerdings
deutlich härter als Verpflichtung formuliert - auch wenn in ihr die
Zielmarke von Zwei-Prozent fehlt.

Das EU-Dokument geht zudem auch deswegen weit, weil sich die
Unterzeichner zum «Streben nach beschleunigten politischen Zusagen
auf nationaler Ebene» verpflichten - inklusive einer «möglichen
Prüfung nationaler Entscheidungsprozeduren». Wie die «Süddeutsche
Zeitung» am Freitagabend berichtete, zielt diese Formulierung
offenbar auch auf den deutschen Parlamentsvorbehalt für
Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. Dieser ist eine deutsche
Besonderheit, die von europäischen Partnern seit Jahren als
Unsicherheitsfaktor bei gemeinsamen Vorhaben betrachtet wird.

Von der amtierenden Bundesregierung wird allerdings auch diese
Verpflichtung als unproblematisch erachtet. «Nationale
verfassungsrechtliche Entscheidungsprozesse bleiben von
den Verpflichtungen unberührt», heißt es laut «Süddeutscher Zeitu
ng»
von deutscher Seite.

Mit dem EU-Dokument, das neben den zwei genannten noch weitere 18
Verpflichtungen umfasst, wollen die unterzeichnenden Staaten die
Grundlage für den Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion legen.
Sie soll im Dezember mit einer neuen Kooperation unter dem Titel
Ständige strukturierte Zusammenarbeit (Pesco) offiziell gestartet
werden.

Über die Ständige strukturierte Zusammenarbeit (Pesco) werden sich
interessierte Staaten freiwillig verpflichten können, in der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (GSVP)
voranzuschreiten und ausgesuchte Projekte gemeinsam umzusetzen. Das
könnten zum Beispiel die Weiterentwicklung der bislang nie
eingesetzten EU-Kampftruppe (Battlegroup) oder der Aufbau eines
europäischen Sanitätskommandos sein.

Nach jüngsten Angaben aus EU-Kreisen wollen mehr als 20 EU-Staaten
mitmachen. Aus politischen Gründen sollen bislang lediglich
Großbritannien und Dänemark ganz klar gesagt haben, dass sie nicht
dabei sein werden. Dänemark nahm schon bislang nicht an der
Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik teil
und Großbritannien will 2019 aus der EU ausgetreten sein.

Als ein Grund für die zuletzt zügigen Fortschritte beim Aufbau der
Verteidigungsunion gilt die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten.
Der Republikaner fordert von den Europäern ein deutlich stärkeres
Engagement in diesem Bereich. Zudem wird auch in der EU die
Notwendigkeit gesehen, in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
unabhängiger von den USA zu werden.

Die Möglichkeit, Pesco zu vereinbaren, war bereits 2009 mit dem
Lissabon-Vertrag der EU geschaffen worden. Hintergrund war die
Erkenntnis, dass das Einstimmigkeitsprinzip in der Gemeinsamen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU immer wieder ehrgeizige
Projekte ausbremst oder ganz verhindert.