Minister beraten über Hilfe für gestrandete Migranten in Nordafrika

13.11.2017 04:55

Folter, Vergewaltigung, Erpressung: das ist das Schicksal tausender
Menschen, die auf der Flucht nach Europa in Libyen stranden. Statt
vor allem die europäischen Grenzen abzuschotten beraten Minister
jetzt in Bern über einen besseren Schutz der Menschen.

Genf/Bern (dpa) - Das Schicksal von Migranten, die über das
Mittelmeer nach Europa fliehen, steht am Montag im Mittelpunkt einer
Ministertagung in der Schweizer Hauptstadt Bern. Regierungsvertreter
aus Europa und Afrika stellen erstmals den besseren Schutz für
Migranten und Flüchtlinge in den Mittelpunkt. Bislang ging es bei den
Treffen der «Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer» vor allem darum, wie
Migranten von den europäischen Grenzen ferngehalten werden können.

Die Vereinten Nationen wollen die mit EU-Geldern finanzierte
Rückführung von Flüchtlingen aus Libyen in das Nachbarland Niger nach

der ersten erfolgreichen Rettung am Wochenende schnell ausbauen. Bis
Ende des Jahres sollen bis zu 500 besonders gefährdete Menschen in
der Nähe der nigrischen Hauptstadt Niamey in Sicherheit gebracht
werden, sagte Vincent Cochetel, der Beauftragte für
Mittelmeer-Flüchtlinge beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, der
Deutschen Presse-Agentur in Genf.

Am Samstag waren 25 Flüchtlinge aus Äthiopien, Eritrea und dem Suda
n
als erste in den mit EU-Geld finanzierten Gästehäusern eingetroffen.
Niger grenzt südlich an Libyen und ist ein Haupttransitland für
Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa wollen.

In Libyen werden nach UNHCR-Schätzung 17 000 Flüchtlinge und
Migranten unter menschenunwürdigen Umständen in offiziellen Lagern
festgehalten. Tausende dürften in teils unterirdischen Verliesen
gefangen sein. Dort foltern Gangster sie, auch bei Telefongesprächen
mit Angehörigen, um Geld zu erpressen. Das UNHCR schätzt, dass
entlang der Migrationsroute Richtung Mittelmeer 40 000 Menschen
unterwegs sind, die Schutz brauchen. Bislang wurden nach Angaben von
Cochetel erst 10 500 Aufnahmeplätze für Gefährdete zugesagt.

Die Minister diskutieren in Bern, wie Menschen in den Lagern in
Libyen geholfen werden kann. Es geht auch darum, entlang der
Migrationsroute südlich von Libyen Asyl-Strukturen aufzubauen, die
internationalen Standards entsprechen. Es ist das dritte Treffen der
Kontaktgruppe in diesem Jahr. Eingeladen sind neben Libyen unter
anderem Ägypten, Niger und Tschad sowie Frankreich, Österreich,
Italien und Deutschland. Aus Berlin sollte die Staatssekretärin im
Bundesinnenministerium, Emily Haber, teilnehmen.

Menschenrechtler kritisieren die Verlegung nach Niger, statt die
Menschen sofort in sichere Aufnahmeländer in Europa zu bringen.
«Europa sollte sich darauf konzentrieren, die Menschen zu schützen
statt die Grenzen», sagt der Migrationsforscher von Amnesty
International, Matteo de Bellis. Dass europäische Länder der
libyschen Küstenwache Geld und Training gäben, damit sie Menschen
zurückschafft, sei fatal. «Die Küstenwache bringt die Menschen in
Lager, wo sie gefoltert und vergewaltigt werden. Daran trägt Europa
durch die Finanzierung der Küstenwache eine Mitschuld.»