EU-Staaten wollen Verteidigungsunion auf den Weg bringen

13.11.2017 05:35

Der Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion kommt in großen
Schritten voran. Für die amtierende Bundesregierung ist der Zeitplan
allerdings heikel. Sie muss für Deutschland weitreichende Versprechen
abgeben, obwohl sie nur noch geschäftsführend im Amt ist.

Brüssel (dpa) - Deutschland und rund 20 andere EU-Staaten wollen an
diesem Montag einen entscheidenden Schritt in Richtung einer
europäischen Verteidigungsunion gehen. Am Rande eines Außen- und
Verteidigungsministertreffens in Brüssel soll ein Dokument
unterzeichnet werden, mit dem die Länder den Aufbau einer ständigen
strukturierten Zusammenarbeit im militärischen Bereich ankündigen.

Zugleich wollen sie sich zur Einhaltung von 20 konkreten
Teilnahmebedingungen verpflichten. Dazu gehören eine regelmäßige
Erhöhung der Verteidigungsausgaben, die Beteiligung an gemeinsamen
Rüstungsprojekten und die Bereitstellung von Soldaten für die
Krisenreaktionskräfte der EU. Letztere wurden 2007 als
EU-Battlegroups aufgestellt, kamen bislang aber noch nie zum Einsatz.

Dass für Deutschland Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
(CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) das Dokument
unterzeichnen wollen, ist nicht ohne politische Brisanz. Das liegt
daran, dass die aktuelle Bundesregierung nach der Bundestagswahl nur
noch geschäftsführend im Amt ist und derzeit die Sondierungsgespräche

über eine Jamaika-Koalition der CDU, CSU, FDP und Grünen laufen.

Die Grünen standen größeren Erhöhungen der Verteidigungsausgaben bi
s
zuletzt sehr kritisch gegenüber. Die von Union und SPD im Jahr 2016
beschlossene Erhöhung für dieses Jahr lehnten sie im Bundestag
beispielsweise als überzogen ab.

Aus der Bundesregierung hieß es dazu lediglich, dass mit der
Unterschrift nur bereits bestehende Pläne und Verpflichtungen
bestätigt würden. So wird beispielsweise auf das Zwei-Prozent-Ziel
der Nato verwiesen. Dieses sieht vor, dass alle Länder darauf
«abzielen» sollen, spätestens von 2024 an zwei Prozent ihres
Bruttoinlandsprodukts für Rüstung und Militär auszugeben. Die
EU-Formulierung ist allerdings deutlich härter - auch wenn in ihr die
Zielmarke von zwei Prozent fehlt.

Das EU-Dokument geht zudem auch deswegen weit, weil sich die
Unterzeichner zum «Streben nach beschleunigten politischen Zusagen
auf nationaler Ebene» verpflichten - inklusive einer «möglichen
Prüfung nationaler Entscheidungsprozeduren». Wie die «Süddeutsche
Zeitung» berichtete, zielt diese Formulierung offenbar auch auf den
deutschen Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der Bundeswehr ab.
Dieser wird von europäischen Partnern seit Jahren als
Unsicherheitsfaktor bei gemeinsamen Vorhaben betrachtet.

Von der amtierenden Bundesregierung wird allerdings auch diese
Verpflichtung als unproblematisch erachtet. «Nationale
verfassungsrechtliche Entscheidungsprozesse bleiben von
den Verpflichtungen unberührt», heißt es laut «Süddeutscher Zeitu
ng»
von deutscher Seite.

Nach jüngsten Angaben aus EU-Kreisen wollen bei der neuen ständigen
strukturierten Zusammenarbeit mehr als 20 EU-Staaten mitmachen. Aus
politischen Gründen sollen bislang lediglich Großbritannien und
Dänemark ganz klar gesagt haben, dass sie nicht dabei sein werden.
Dänemark beteiligt sich traditionell nicht an der gemeinsamen
europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Großbritannien
will 2019 aus der EU ausgetreten sein. Zu den Staaten, die bis
zuletzt unsicher waren, zählen Österreich, Irland, Malta und
Portugal.

Als ein Grund für die zuletzt zügigen Fortschritte beim Aufbau der
Verteidigungsunion gilt die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten.
Der Republikaner fordert von den Europäern ein deutlich stärkeres
Engagement in diesem Bereich. Zudem wird auch in der EU die
Notwendigkeit gesehen, in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
unabhängiger von den USA zu werden.

Der offizielle Startschuss für die ständige strukturierte
Zusammenarbeit soll im Dezember gegeben werden. Erste konkrete
Projekte könnten der Aufbau eines europäischen Sanitätskommandos oder

die Einrichtung von gemeinsamen Logistikdrehscheiben für den
Transport von Truppen und Ausrüstung sein.