EU-Staaten bringen Verteidigungsunion auf den Weg

13.11.2017 17:58

Der Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion kommt in großen
Schritten voran. Die EU will sich in militärischen Belangen nicht
mehr auf die USA verlassen müssen. Lässt sich dieses Ziel erreichen
?

Brüssel (dpa) - Deutschland und 22 weitere EU-Staaten haben den
Grundstein für eine europäische Verteidigungsunion gelegt. Bei einer

Zeremonie in Brüssel unterschrieben die Außen- und
Verteidigungsminister am Montag das Gründungsdokument für eine
ständige militärische Zusammenarbeit. Die Verteidigungsunion soll die

EU unabhängiger von den USA machen und zu gemeinsamen
Rüstungsprojekten führen.

Erste konkrete Schritte könnten der Aufbau eines europäischen
Sanitätskommandos oder die Einrichtung von gemeinsamen
Logistikdrehscheiben für den Transport von Truppen und Ausrüstung
sein. Die ständige strukturierte Zusammenarbeit, die in der
EU-Sprache Pesco genannt wird, soll offiziell im Dezember starten.

«Es war für uns wichtig - gerade nach der Wahl des amerikanischen
Präsidenten (Donald Trump) - uns eigenständig aufzustellen», sagte

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). «Wenn es
eine Krise gibt in unserer Nachbarschaft, müssen wir handlungsfähig
sein.»

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bezeichnete die geplante
Zusammenarbeit als einen «Meilenstein der europäischen Entwicklung»
.
Dies sei ein «großer Schritt in Richtung Selbstständigkeit und
Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU». Die
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach sogar von «einem
historischen Moment für die europäische Verteidigung».

Mit dem am Montag unterschriebenen Dokument verpflichten sich die 23
EU-Staaten auch zur Einhaltung von 20 konkreten Teilnahmebedingungen.
Dazu gehören eine regelmäßige Erhöhung der Verteidigungsausgaben, d
ie
Beteiligung an gemeinsamen Rüstungsprojekten und die Bereitstellung
von Soldaten für die Krisenreaktionskräfte der EU. Letztere wurden
2007 als EU-Battlegroups aufgestellt, kamen bislang aber noch nie zum
Einsatz.

Gabriel und von der Leyen sahen kein Problem darin, dass sie für
Deutschland unterzeichneten, obwohl in Berlin Sondierungen für eine
neue Bundesregierung laufen und das alte Kabinett nur noch
geschäftsführend im Amt ist. «Es sind damit keine konkreten
Haushaltsverpflichtungen verbunden. Es ist außerdem weit über
die Grenzen der Regierung unbestritten, dass wir in Europa besser
zusammenarbeiten müssen», sagte Gabriel.

Für die Nato soll das Projekt keine Konkurrenz darstellen. «Die
Sicherheits- und Verteidigungsunion ist komplementär zur Nato. Die
Nato wird immer Landes- und Bündnisverteidigung bleiben, das ist ganz
wichtig. Aber es gibt eine Vielzahl von Themen, wo ich nicht die
Nato sehe, aber Europa gefragt ist», sagte von der Leyen mit Blick
auf Krisen in Afrika.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, eine starke europäische

Verteidigung sei «gut für Europa, aber auch gut für die Nato». Er
warnte aber vor dem Aufbau von Parallelstrukturen und
Konkurrenzdenken.

Zu den Ländern, die sicher nicht bei der ständigen strukturierten
Zusammenarbeit dabei sein werden, zählen Dänemark und Großbritannien.

Dänemark beteiligt sich traditionell nicht an der gemeinsamen
europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Großbritannien
will 2019 aus der EU ausgetreten sein. Irland, Malta und Portugal
hatten sich bis Montag noch nicht entschieden.

Die Möglichkeit, eine ständige militärische Zusammenarbeit zwischen
EU-Staaten zu vereinbaren, war bereits 2009 mit dem Lissabon-Vertrag
der EU geschaffen worden. Hintergrund war die Erkenntnis, dass das
Einstimmigkeitsprinzip in der Gemeinsamen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik der EU (GSVP) immer wieder ehrgeizige Projekte
ausbremst oder ganz verhindert.

Dass die Zusammenarbeit nicht schon viel früher vereinbart wurde,
hatte vor allem mit dem Widerstand Großbritanniens gegen einen Ausbau
der GSVP zu tun. Vor dem Hintergrund des geplanten EU-Austritts hat
London jetzt allerdings keine Argumente mehr dagegen. Eine
europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion sei 60 Jahre lang
eine Art Tabu gewesen, sagte Mogherini nach Ende des
Ministertreffens. Nun habe es gebrochen werden können.