Draghi: Zeit noch nicht reif für Ende der ultralockeren Geldpolitik

17.11.2017 14:07

Der EZB-Präsident sieht die Europäische Zentralbank noch nicht am
Ziel. Darum schließt die Notenbank ihre Geldschleusen nur ganz
langsam. Mancher würde sich ein klareres Signal wünschen.

Frankfurt/Main (dpa) - Der Euroraum ist nach Einschätzung von
EZB-Präsident Mario Draghi trotz solider Wirtschaftserholung
weiterhin auf das billige Geld der Notenbank angewiesen. «Wir sind
noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem die Erholung der Inflation
sich selbst trägt ohne unsere unterstützende Geldpolitik», sagte
Draghi am Freitag bei einem Bankenkongress in Frankfurt.

Zwar hätten die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB)
«zunehmend Vertrauen, dass die Erholung robust» und die Wirtschaft
widerstandsfähiger gegen neue Schocks sei, sagte Draghi. Auch die
Inflation im Euroraum entferne sich allmählich von dem sehr niedrigen
Niveau der vergangenen Jahre.

Ein nachhaltiger Anstieg der Teuerung sei aber noch nicht erreicht.
Die EZB strebt für den Währungsraum mittelfristig eine Teuerungsrate
von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der
Nullmarke. Denn dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise könnten
Verbraucher und Unternehmen dazu verleiten, Investitionen
aufzuschieben. Das könnte die Konjunktur bremsen. Darum versucht die
Notenbank seit Jahren, mit viel billigem Geld gegenzusteuern.

Im Oktober hatten die Währungshüter den ersten vorsichtigen Schritt
zum Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik
beschlossen: Die EZB verlängert zwar ihre vor allem in Deutschland
umstrittenen Wertpapierkäufe bis Ende September 2018, halbiert aber
das Volumen ab Januar auf monatlich 30 Milliarden Euro. Der Leitzins
im Euroraum bleibt mindestens bis zum Ende des gewaltigen
Kaufprogramms auf dem Rekordtief von null Prozent.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann stellte auf demselben Kongress
ebenfalls die Aufwärtsdynamik der Konjunktur heraus. Allerdings habe
die Inflation damit nicht Schritt gehalten. Darum sei eine lockere
Geldpolitik nach wie vor angemessen.

Dessen ungeachtet hätte er sich im Oktober einen mutigeren Schritt
des EZB-Rates gewünscht, bekräftigte Weidmann: «Eine weniger
ausgeprägte Lockerung der Geldpolitik im nächsten Jahr und die
Festlegung eines eindeutigen Endtermins für den Nettoerwerb von
Vermögenswerten wären gerechtfertigt gewesen.»

Commerzbank-Chef Martin Zielke lobte wie andere Banker die
stabilisierende Wirkung des EZB-Kurses nach der jüngsten Finanzkrise
2007/2008: «Sie haben einen großartigen Job gemacht.» Jetzt sei es
wichtig, die Medizin wieder abzusetzen: «Es wäre wünschenswert, wenn

die Normalisierung eher früher als später käme», sagte Zielke und
betonte: «Wir brauchen eine klare Ansage: Wie sieht der Ausstieg
aus?»