Bonn verliert Wahl um Sitz der EU-Arzneimittelagentur

20.11.2017 17:46

Deutschland hat im Rennen um den künftigen Sitz von zwei EU-Behörden
eine erste Niederlage kassiert. Steigen nach dem Ausscheiden von Bonn
die Chancen für Frankfurt?

Brüssel (dpa) - Die frühere Bundeshauptstadt Bonn wird nicht Sitz der
Europäischen Arzneimittelagentur EMA. Die deutsche Bewerbung um den
Standort schied am Montag bereits in der ersten Runde einer geheimen
EU-Abstimmung in Brüssel mit nur drei Punkten aus. In die zweite
Wahlrunde schafften es Mailand mit 25 Punkten sowie Amsterdam und
Kopenhagen mit je 20 Punkten. Sie dauerte am späten Nachmittag noch
an.

Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU) äußerte seine
Enttäuschung, sieht aber auch positive Effekte der Bewerbung. «Auf
jeden Fall haben wir mit der Bewerbung Bonn als attraktiven Standort
für internationale Einrichtungen auch auf europäischer Ebene in
Erinnerung rufen können», erklärte Sridharan in einer Mitteilung.

Nach der Zukunft der Arzneimittelagentur EMA sollte am Montagabend in
Brüssel auch die der europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA geklär
t
werden. Beide Behörden sollen wegen des geplanten EU-Austritts
Großbritanniens so schnell wie möglich in eines der 27 verbleibenden
EU-Länder umgesiedelt werden.

Für den EBA-Standort hat Deutschland Frankfurt am Main als
Kandidatenstadt ins Rennen geschickt. Der Bankenmetropole wurden in
Brüssel durchaus Chancen eingeräumt.

Die Sitze von EU-Behörden sind sehr begehrt. Wer den Zuschlag erhält,
kann auf hohe Zusatzeinnahmen hoffen. Die EMA und die EBA richten
jährlich Hunderte Konferenzen und Veranstaltungen mit Experten aus
aller Welt aus. In London sorgten beide Agenturen zuletzt pro Jahr
für rund 39 000 zusätzliche Hotelübernachtungen.

Hinzu kommt, dass auch die meisten hoch qualifizierten Mitarbeiter
umziehen dürften. Die EMA beschäftigte zuletzt immerhin rund 900
Menschen, die Bankenaufsicht EBA kam auf knapp 200.

Für die Wahl des EMA-Sitzes hatten 19 EU-Staaten Bewerbungsunterlagen
eingereicht, zur Abstimmung stellten sich letztlich 16. Frankfurt am
Main konkurrierte mit sieben Städten um den künftigen Standort der
EBA, die sich um Wahrung der Finanzstabilität und das ordnungsgemäße

Funktionieren des Bankensektors kümmert.

Kritiker hatten vor der Wahl gewarnt, das das an den Eurovision Song
Contest erinnernde Wahlverfahren Überraschungssieger produzieren
könnte. Es sah nämlich vor, dass in der ersten Wahlrunde alle 27
abstimmenden EU-Staaten drei Punkte an ihren Favoriten sowie zwei
Punkte an ihre Nummer zwei und einen Punkt an ihre Nummer drei
vergeben mussten. Dies konnte zum raschen Ausscheiden von guten
Standorten führen, weil sich in der ersten Wahlrunde vermutlich viele
Bewerberländer selbst die drei Punkte gaben und daneben scheinbar
unqualifizierte Mitbewerber bedachten, um die Konkurrenz zu
schwächen.

Diplomaten zufolge versuchten Ländervertreter seit längerem, sich
über Deals und Versprechen die Stimmen anderer Länder zu sichern. So
soll Deutschland unter anderem eine Wahlabsprache mit Griechenland
getroffen haben, dem mit Athen bessere Aussichten für die
EMA-Bewerbung eingeräumt wurden als Bonn.

Offiziell sollten bei der Wahl nur sechs Kriterien eine Rolle
spielen. Dazu gehören unter anderem die Arbeitsbedingungen, die
Verkehrsanbindung, die bisherige Zahl der EU-Agenturen und die
Möglichkeit eines schnellen und problemlosen Umzugs.

Der bei der Wahl für Deutschland abstimmende Europastaatsminister
Michael Roth (SPD) sagte zur Wahl, die Bundesregierung habe mit Bonn
und Frankfurt am Main «zwei sehr gute Vorschläge» unterbreitet.
Letztendlich sei es aber nur wichtig, dass geeignete Kandidaten
gewinnen. «Es muss gewährleistet sein, dass nach der Verlagerung der
beiden Agenturen deren Arbeit sofort und uneingeschränkt am neuen
Standort fortgesetzt werden kann», sagte er.