Krebs durch Pommes und Chips? EU beschließt Acrylamid-Verordnung Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa

22.11.2017 12:09

Tierversuche deuten auf eine Krebsgefahr durch Acrylamid hin. Nun hat
die EU neue Vorschriften beschlossen, um den Stoff im Essen
zurückzudrängen. Pommes sollen zum Beispiel vor dem Frittieren bald
eingeweicht werden.

Brüssel (dpa) - Kaffee, Keks und Knäckebrot, Pommes, Chips und Flips:
Das umstrittene Acrylamid findet sich in kleinen Mengen in
Geröstetem, Gebackenem und Frittiertem - und somit auch bei fast
allen Europäern auf dem Teller. Weil der Stoff unter Verdacht steht,
Krebs zu erregen, will die Europäische Union ihn zurückdrängen. Die
EU-Kommission hat nun endgültig neue Vorgaben für Backstuben,
Frittenbuden und Restaurants sowie für Lebensmittelhersteller
beschlossen, nachdem eine dreimonatige Einspruchsfrist abgelaufen
war. Verbraucherschützer sind zufrieden mit den neuen Regeln, doch
die Gastronomie befürchtet ein Bürokratiemonster. Die wichtigsten
Antworten zu dem Thema:

Wie gefährlich ist Acrylamid?

Die Debatte über Risiken durch Acrylamid in Pommes, Chips und
Spekulatius läuft seit 2002, als schwedische Wissenschaftler den
Stoff in Lebensmitteln nachwiesen. Er entsteht bei großer Hitze in
stärkehaltigen Waren wie Kartoffeln oder Mehl aus den natürlichen
Stoffen Asparagin und Zucker. Die chemische Reaktion kann beim
Backen, Braten, Rösten und Frittieren ablaufen - nicht aber beim
Kochen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellt klar:
Tierstudien «haben gezeigt, dass Acrylamid krebserzeugend wirkt».
Deshalb sei es «als mutagener und kanzerogener Stoff mit Bedeutung
für den Menschen eingestuft». Acrylamid im Essen erhöhe das
Krebsrisiko, erklärt auch die europäische Lebensmittelaufsicht Efsa.

Was hat die EU-Kommission beschlossen?

In einer achtseitigen Verordnung mit 26 Seiten Anhang macht die
Brüsseler Behörde professionellen Nahrungsmittelherstellern genaue
Vorgaben für die Verarbeitung zum Beispiel von Kartoffeln oder Mehl.
Denn es gibt kleine Stellschrauben, um die Entstehung von Acrylamid
zu drosseln: weniger Zucker im Rohprodukt, möglichst wenig Hitze,
möglichst geringe Bräunung.

So will die Kommission unter anderem,

- dass Kartoffelsorten mit wenig Stärke verarbeitet werden

- dass mit Einweichen oder Blanchieren die Stärke vor dem Frittieren
ausgewaschen wird

- dass mit möglichst niedrigen Temperaturen gegart und Fritten oder
Brot nur so stark gebräunt werden wie eben nötig.

Bei Produkten zum Selberbacken sollen Verbraucher eine genaue
Anleitung bekommen, um auch zu Hause Risiken zu vermeiden.
Bräunungstabellen sollen einen Maßstab bieten.

Welche Bedenken hat die Gastronomie?

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga kritisiert weniger
die Verarbeitungshinweise, sondern vielmehr neue Nachweis- und
Dokumentationspflichten, die ebenfalls in dem Vorstoß enthalten sind.
Betriebe müssen Proben nehmen und analysieren lassen. Dehoga nennt
dies ein «neues Sinnbild einer überzogenen EU-Regelungswut».

Was sagen Verbraucherschützer?

Der europäische Verbraucherverband Beuc vermisst «rechtlich
verbindliche Obergrenzen» für Acrylamid, lobt die Verordnung aber als
ersten Schritt. Tatsächlich hätten gleiche Lebensmittel sehr
unterschiedliche Acrylamidwerte. «Wenn einige Hersteller die
Acrylamidwerte drücken können, dann können das andere auch», erkl
ärte
Beuc-Direktorin Monique Goyens nach der ersten Abstimmungsrunde im
Juli. «Niemand will irgendeine Speise verbieten.»

Wann kommen die neuen Regeln?

Die neue Verordnung wurde am Dienstag im Amtsblatt der
Europäischen Union veröffentlicht und tritt am 11. Dezember in Kraft.
Sie sieht vor, dass die Gastronomie dann noch vier Monate Zeit hat,
um sich auf die neuen Regeln einzustellen. Das heißt, spätestens ab
11. April 2018 sollen sie angewendet werden.

Werden Pommes dann teurer?

Davon ist noch keine Rede. «Die Frage des Aufwandes geht nicht damit
einher, ob die Preise erhöht werden», hieß es zuletzt vom Hotel- und

Gaststättenverband.