Oettinger erwartet wegen Deutschland Verzögerungen bei EU-Projekten

23.11.2017 13:05

Brüssel (dpa) - Die vorerst gescheiterte Regierungsbildung in
Deutschland droht nach Einschätzung von EU-Kommissar Günther
Oettinger weitreichende Konsequenzen für Europa zu haben. Bei den
anstehenden Diskussionen um die geplante Vertiefung der Währungsunion
werde es «mit Wahrscheinlichkeit» zu Verzögerungen kommen, sagte der

deutsche Politiker am Donnerstag in Brüssel. Fragen wie die, ob es
ein Eurozonen-Budget oder einen Eurozonen-Finanzminister geben solle,
könne man nicht ohne Deutschland entscheiden. «Eigentlich sind die
Dinge entscheidungsreif und überfällig», kritisierte Oettinger.

Als weitere Beispiele für möglicherweise verzögerte EU-Projekte
nannte Oettinger die geplante Harmonisierung des Asylrechts und die
gemeinsame Migrationspolitik.

Um die Folgen für Europa so gering wie möglich zu halten, forderte
der EU-Haushaltskommissar die deutschen Parteien auf, sich in den
nächsten Tagen doch noch auf eine Mehrheitsregierung zu einigen.
Minderheitsregierungen und Neuwahlen sollten «vorletzte und letzte
Überlegungen» sein, sagte er. «Im Augenblick sind die Chancen auf
eine Mehrheitsregierung größer als Null. Und deswegen sollte man
diese Chancen ausloten.» Ohne namentlich die SPD zu erwähnen, sagte
er «Überlegungen und Entwicklungen in Parteien und Fraktionen» seien

offensichtlich im Gange.

Dass die amtierende deutsche Bundesregierung nur eingeschränkt
handlungsfähig ist, könnte sich nach Einschätzung Oettingers bereits

bei der Vergabe der aus Großbritannien wegziehenden EU-Behörden
gezeigt haben. Hier hatten am vergangenen Montag sowohl Bonn als auch
Frankfurt am Main gegen EU-Konkurrenten das Nachsehen.