Giftige Nebenwirkungen Von Sascha Meyer und Christiane Jacke, dpa

28.11.2017 19:14

Was war das denn? Das Glyphosat-Ja von CSU-Minister Schmidt platzt
voll in die Annäherungsversuche für eine neue große Koalition. Die
Kanzlerin versucht, die Wogen zu glätten. So schnell geht es nicht.

Berlin (dpa) - Es ist ein Ordnungsruf der speziellen Art. Angela
Merkel sagt es erst etwas sperrig. Was Agrarminister Christian
Schmidt (CSU) da unabgestimmt in Sachen Glyphosat entschieden habe,
entspreche nicht der «Weisungslage» der Regierung. Und auch nicht
deren Geschäftsordnung, ob geschäftsführend oder nicht. Dann schiebt

die Kanzlerin - etwas simpler - eine Botschaft an Schmidt hinterher,
die aber vor allem die SPD hören soll: «Es ist etwas, das sich nicht

wiederholen darf.» Es sind besondere Zeiten, in denen es schon heikel
genug ist, aus der alten GroKo womöglich eine neue zusammenzubringen.

Nach dem Jamaika-Aus baut Merkel auf die SPD. Es stehen schwierige
Annäherungen an. Am Donnerstagabend sitzen die Chefs von CDU, CSU und
SPD dafür beim Bundespräsidenten zusammen. Das Vorgehen von Schmidt
kommt da maximal ungelegen. Kurz nachdem Merkel den Sozialdemokraten
am Montag «ernsthafte, engagierte, redliche» Gespräche zusicherte,
platzte Schmidt mit seinem Manöver dazwischen. Der geschäftsführende

Agrarminister hatte in Brüssel für eine weitere Zulassung des
Unkrautgifts Glyphosat in der EU gestimmt - gegen das erklärte Nein
von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), woraus sonst eine
Enthaltung resultiert. Nun sind die toxischen Nebenwirkungen da.

Die Genossen toben, schimpfen über einen massiven Vertrauensbruch,
eine schwere Belastung für weitere Gespräche zwischen SPD und Union.
Und sie fragen lautstark, ob Merkel an dem Foul beteiligt gewesen sei
oder einfach ihren Laden nicht im Griff habe. War es die einsame
Entscheidung von Schmidt oder ein Komplott, ein bewusster Affront?

Schmidt macht am Tag danach klar, dass die Sache auf seine Kappe
geht. «Ich habe die Entscheidung für mich getroffen und in meiner
Ressortverantwortung.» Und überhaupt, argumentiert er, habe er mit
seiner Zustimmung «wichtige Verbesserungen zum Schutze der Pflanzen-
und Tierwelt» durchgesetzt. Das wäre sonst nicht zu erreichen
gewesen. Die politische Sprengkraft seiner Entscheidung muss der
generell sehr besonnene CSU-Vize aber mit im Blick gehabt haben.

Warum preschte er also vor? War es ein Moment für «klare Kante»,
nachdem die Umweltministerin ihm immer mal wieder offensiv in die
Agrarpolitik gegrätscht war? Nicht nur kesse Bauernregeln auf
Werbeplakaten («Steht das Schwein auf einem Bein, ist der
Schweinstall zu klein») aus dem Hause Hendricks kamen bei Schmidt
nicht sonderlich gut an. Krach gab es zuletzt schon, als Hendricks
Schutzgebiete in Nord- und Ostsee auswies und Schmidt sich übergangen
sah. Wollte der Minister, dessen Zukunft in einer künftigen Regierung
ungewiss ist, auch ein Ausrufezeichen in eigener Sache setzen? Seit
langem ärgert er sich schon darüber, dass Deutschland in der EU mehr
und mehr zu Enthaltungen gezwungen ist, wie zuletzt bei Glyphosat.

Merkel müht sich demonstrativ um Schadensbegrenzung, bevor sie für
zwei Tage nach Afrika fliegt. Im Kanzleramt geht es am Dienstag um
den Kampf gegen zu viele Dieselabgase in den Städten. Doch der große
Glyphosat-Streit überschattet das Treffen. Schmidt ist dabei, er ist
ja gerade auch geschäftsführender Verkehrsminister. Nähe sucht Merkel

aber zu seiner Rivalin Hendricks. Vor den Beratungen stehen die
beiden lange zusammen, nach der anschließenden Pressekonferenz, in
der Merkel Schmidt rügt, nochmal. Vom Podium sendet die Kanzlerin
auch noch ein paar Nettigkeiten wie: «Frau Hendricks weiß das noch
besser als ich.» Das zielt aber auf die Dieselabgase. In Sachen
Glyphosat ist Merkel nämlich eigentlich ganz auf Schmidt-Linie.

So schnell besänftigen lassen sich die Sozialdemokraten auch nicht.
«Ich bin weiterhin der Auffassung, dass wir eine vertrauensbildende
Maßnahme brauchen», sagt Hendricks gleich nach Merkels Worten. Ob sie
einen Rückzug des Kollegen meint, lässt sie offen. Einfach feuern
kann die Kanzlerin Schmidt politisch ohnehin nicht - zumindest nicht
gegen den Willen der CSU, die ihren Minister bis auf weiteres in
Schutz nimmt. Über Schmidts Aktion war CSU-Chef Horst Seehofer sogar
vorab informiert, wie es in bayerischen Regierungskreisen heißt. In
der «Süddeutschen Zeitung» (Mittwoch) sprach er Schmidt die
Rückendeckung seiner Partei aus. Er könne nicht verstehen, dass
Schmidt so abgekanzelt werde.

Die Genossen wissen zudem, dass der Zoff ihnen in den anstehenden
Gesprächen mit der Union über eine mögliche neue GroKo eine stärker
e
Position verspricht. Schließlich muss sich die Union nun mehr um sie
bemühen, um Wiedergutmachung. Hendricks berichtet noch, Schmidt habe
den Versuch einer Entschuldigung unternommen. Das wolle sie auch gar
nicht auf Dauer zurückweisen. «Aber ich hab ihm gesagt, dass man so
blöd eigentlich nicht sein könnte.»