OSZE als Bühne der Konfrontation - Kurz für mehr Kompromissfähigkeit Von Matthias Röder, dpa

07.12.2017 17:28

Die Pracht der Hofburg in Wien konnte nicht von der Tristesse der
internationalen Beziehungen ablenken. Die Kluft zwischen Ost und West
wurde auch beim OSZE-Ministerrat spürbar.

Wien (dpa) - Das Verhalten bei Familienfotos kann entlarvend sein.
Als sich die 57 Spitzendiplomaten der OSZE im prunkvollen
Zeremoniensaal der Wiener Hofburg für die Fotografen aufstellten,
trennte US-Außenminister Rex Tillerson und den russischen
Chefdiplomaten Sergej Lawrow nur ein guter Meter. Aber: Das war zu
weit für einen Blickkontakt oder gar einen Händedruck. Auch die
Körpersprache unterstrich: Wir können nicht miteinander. Der
Ministerrat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE) am Donnerstag in Wien sollte eigentlich einen Anstoß
für diplomatisches Tauwetter geben. Doch am ersten Tag herrschte die
inzwischen genauso gewohnte wie gefährliche Eiszeit zwischen Ost und
West.

Bei seiner achtminütigen Rede im Plenum der OSZE feuerte Lawrow in
rasendem Tempo eine Salve nach der anderen in Richtung USA, Nato und
Westen ab. Durch die «rücksichtslose Expansion» der Nato und das
Aufstellen eines Raketenabwehrsystems werde die
Sicherheitsarchitektur im euro-atlantischen Raum untergraben, sagte
der 67-Jährige. Das gesamte System gemeinsamer Sicherheit erlebe eine
ernste Belastungsprobe. Überhaupt stand seine Rede sinngemäß unter
dem Titel: «Der Westen, das Reich des Bösen».

Dem stand Tillerson nicht nach. «Wir werden niemals die Besetzung und
versuchte Annexion der Krim akzeptieren», unterstrich der
US-Außenminister. Die Sanktionen gegen Russland würden bis zur Lösung

des Konflikts in Kraft bleiben. «Die Sache, die zwischen uns steht,
ist die Ukraine», sagte Tillerson unmissverständlich.

Kein Signal, kein Satz, keine Geste, nichts, was zum wesentlichen
Besteck der Diplomaten zählen sollte. Der Ruf des OSZE-Vorsitzenden
Sebastian Kurz nach Dialog- und Kompromissbereitschaft verhallte am
ersten Tag des zweitägigen Polit-Gipfels praktisch ungehört. «Ein
Mehr an Sicherheit wird es nur durch ein Mehr an Vertrauen und
Zusammenarbeit geben», sagte Kurz. Auch OSZE-Generalsekretär Thomas
Greminger forderte eine Rückbesinnung auf die Stärke der OSZE als
Plattform für vertrauensbildende Maßnahmen.

Kurz zählt als österreichischer Außenminister selbst zu denjenigen,
die sich einen geschmeidigeren Umgang des Westens mit Russland
vorstellen können. In der Ukraine-Krise sollten auch kleine Schritte
jeweils politisch belohnt werden, so sein Credo. Den Auftritt im
Kreis seiner Amtskollegen genoss der 31-Jährige. «Rex, du hast das
Wort», duzte er den US-Außenminister. Der nannte Kurz dafür schon mal

etwas voreilig «Prime Minister». Dabei versucht Kurz, die neue
österreichische Regierung, an deren Spitze er stehen würde, in
Koalitionsgesprächen mit der rechten FPÖ erst noch fertigzuschmieden.

Die Hoffnung des österreichischen OSZE-Vorsitzes auf ein irgendwie
konstruktives Ende des Ministerrats ruht nicht zuletzt auf den
traditionellen bilateralen Gesprächen am Rande des Treffens. Die elf
eigens eingerichteten Kabinen seien sehr gut gebucht, hieß es von
Seiten der Organisatoren. Auch Lawrow und Tillerson, die schon aus
protokollarischen Gründen beim Mittagessen - es gab Bio-Steak mit
Gemüse - an einem Tisch saßen, wollten in einer abgeschotteten
Umgebung noch einmal versuchen, unter vier Augen etwas
voranzubringen.

In der weltweiten Diskussion um die Anerkennung von Jerusalem als
Hauptstadt Israels durch die USA sprang Tillerson seinem Chef Donald
Trump bei. «Der Präsident führt einfach nur den Willen des Volkes
aus», sagte der 65-Jährige. Der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv
nach Jerusalem habe noch Zeit. «Wir werden das nicht schnell machen.»

Für viele Diplomaten gilt: Gerade die OSZE würde sich für eine
Wiederannäherung der Supermächte eignen. Sie ist die einzige
regionale Sicherheitsorganisation, in der zugleich die USA und
Russland vertreten sind.