Gemischte Reaktionen auf Durchbruch bei Brexit-Verhandlungen

08.12.2017 14:04

In Theresa Mays Kabinett wird die Einigung in Brüssel als Erfolg der
Premierministerin gefeiert. Eine Regierungskrise scheint vorerst
abgewendet. Doch die Frage nach der irischen Grenze bleibt schwierig.

London/Dublin (dpa) - Der Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen hat
am Freitag in Großbritannien und Irland gemischte Reaktionen
ausgelöst. Die Boulevardzeitung «The Sun» titelte in ihrer
Onlineausgabe: «Hard won» («Schwer erkämpfter Sieg»).

Mehrere Kabinettsmitglieder beglückwünschten Premierministerin
Theresa May zu der Einigung, die dem Land die Tür zur zweiten Phase
der Verhandlungen öffnen soll. Vertreter der
nordirisch-protestantischen DUP und Anhänger eines klaren Schnitts
mit Brüssel äußerten sich dagegen skeptisch bis ablehnend.

Finanzminister Philip Hammond sieht in der Einigung einen «Schub für
die britische Wirtschaft». Das Pfund legte am Morgen kräftig zu und
kletterte auf seinen höchsten Stand zum Euro seit beinahe sechs
Monaten.

Der Außenminister und Brexit-Befürworter Boris Johnson twitterte:
«Glückwunsch an die Premierministerin für ihre Entschlossenheit beim

Erreichen des heutigen Abkommens.» Das Land werde nun auf eine «tiefe
und besondere» Partnerschaft mit der EU hinarbeiten, gleichzeitig
aber «die Kontrolle über Gesetze, Geld und Grenzen zurückholen».
Umweltminister Michael Gove, ebenfalls ein überzeugter
Brexit-Anhänger, jubelte: «Theresa May hat gewonnen.»

Umstritten war bei den Verhandlungen bis zuletzt vor allem die Frage,
wie Kontrollen an der Grenze zwischen dem britischen Nordirland und
dem EU-Mitglied Irland verhindert werden können. Noch am Montag war
eine Einigung am Widerstand der nordirischen DUP (Democratic Unionist
Party) gescheitert, auf deren Stimmen May im Parlament angewiesen
ist. Die Partei will verhindern, dass Nordirland einen Sonderstatus
innerhalb des EU-Binnenmarkts und der Zollunion erhält.

In einer Kompromissformel einigte man sich nun darauf, dass so lange
alles beim Alten bleiben soll, bis eine Lösung für die Grenze
gefunden ist, der alle Seiten zustimmen können.

DUP-Chefin Arlene Foster machte Andeutungen, dass bei ihrer Partei
noch große Skepsis herrscht. «Uns ist die Zeit ausgegangen» sagte
Foster dem Nachrichtensender Sky News. May habe die Entscheidung
allein getroffen, den Kompromisstext mit der EU zu akzeptieren. Die
Premierministerin habe ihr aber eine klare Bestätigung gegeben, dass
ganz Großbritannien die EU, den europäischen Binnenmarkt und die
Zollunion verlassen werde, sagte Foster.

Der irische Regierungschef Leo Varadkar zeigte sich zufrieden. «Wir
haben alles erreicht, was wir uns für die erste Phase dieser
Verhandlungen vorgenommen haben», sagte Varadkar in Dublin. Trotzdem
seien die Verhandlungen noch in einem frühen Stadium. «Das ist nicht
das Ende, sondern das Ende des Anfangs», sagte Varadkar. In Richtung
der nordirischen Protestanten versicherte er, Dublin werde den Brexit
nicht als Vorwand nutzen, um einseitig die Vereinigung Nordirlands
mit der Republik im Süden voranzutreiben.

Irlands Außenminister und Vize-Regierungschef Simon Coveney
twitterte: «Sehr gutes Ergebnis für alle auf der irischen Insel -
garantiert keine befestigte Grenze!»

Weniger zufrieden zeigte sich der ehemalige Chef der EU-feindlichen
britischen Partei Ukip, Nigel Farage. «Ein Abkommen mit Brüssel ist
eine gute Neuigkeit für Frau May, da wir jetzt in die nächste Phase
der Erniedrigung eintreten können», twitterte Farage.

Der Verband der britischen Handelskammern BCC (British Chambers of
Commerce) begrüßte die Einigung in Brüssel. Britische Unternehmen
seien «erleichtert», dass ausreichender Fortschritt bei den
Verhandlungen erreicht worden sei, sagte BCC-Chef Adam Marshall einer
Mitteilung zufolge.

Vor allem die Rechte von EU-Arbeitnehmern in Großbritannien seien ein
Anliegen britischer Unternehmen gewesen. Nun müsse «absolute
Klarheit» über die angestrebten langfristigen Handelsbeziehungen
Großbritanniens zur EU geschaffen werden. «Unternehmen wollen wissen,
was der EU-Austritt für Vorschriften, Grenzkontrollen, Anstellungen,
Produktstandards, Zölle und Steuern bedeutet.»

Die deutsch-britische Industrie- und Handelskammer warnte vor allzu
viel Optimismus. Die zweite Phase der Verhandlungen berge viele
Risiken und die Gefahr eines Scheiterns sei noch nicht gebannt, sagte
Ulrich Hoppe, Hauptgeschäftsführer der AHK in London, einer
Mitteilung zufolge. «Ein solches Ergebnis hätte kurzfristig
weitreichende negative Konsequenzen für beide Seiten, vorwiegend aber
für Großbritannien.»