Erste Einigung bei Brexit-Verhandlungen - Nun Start in Phase zwei

08.12.2017 09:26

Seit Ende Juni ging kaum etwas voran bei den Gesprächen über den
EU-Austritt Großbritanniens. Diese Woche drehten sie noch einmal eine
Ehrenrunde. Jetzt sind die ersten Hindernisse für eine gütliche
Trennung aus dem Weg geräumt.

Brüssel (dpa) - Nach monatelangen zähen Verhandlungen über den
EU-Austritt Großbritanniens gibt es einen ersten Durchbruch. Man sei
sich einig über die wichtigsten Fragen der Trennung und könne nun in
Verhandlungen über die künftigen Beziehungen eintreten, sagte
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Freitagmorgen in einer
Pressekonferenz mit Premierministerin Theresa May.

Die britische Regierungschefin sagte, sie gehe optimistisch in die
nächste Verhandlungsphase. Es gehe nun um eine enge Partnerschaft,
die im Interesse aller liege und vor allem für die Wirtschaft sichere
Bedingungen schaffen werde. EU-Ratspräsident Donald Tusk schlug vor,
zunächst über die geplante mehrjährige Übergangsphase nach dem fü
r
2019 geplanten Brexit zu sprechen. In der Zeit soll Großbritannien
wie bisher EU-Vorgaben einhalten, aber kein Stimmrecht mehr haben.

Die EU hatte eine Einigung bei drei Topthemen zur Bedingung für den
Start der nächsten Verhandlungsphase gemacht. Großbritannien will vor
allem die künftigen Handelsbeziehungen so rasch wie möglich klären.


Schon am Montag hatten Juncker und May kurz vor einem Kompromiss
gestanden, der dann aber zunächst doch nicht zustande gekommen war.
«Wir haben in dieser Woche extrem hart gearbeitet», sagte May. Seit
Montag habe es vor allem wichtige Klarstellungen bei den
Formulierungen zu Irland gegeben.

Die Frage, wie Grenzkontrollen zwischen dem EU-Staat Irland und dem
britischen Nordirland vermieden werden können, war der letzte große
Knackpunkt der ersten Verhandlungsphase. Irland pochte auf eine
schriftliche Zusage Großbritanniens, dass es keine feste Grenze auf
der irischen Insel geben werde. Diese hat May nun gegeben. «Wir
werden garantieren, dass es keine harte Grenze gibt», sagte May. Ein
Sprecher der irischen Regierung erklärte daraufhin, man habe alle
Ziele für die erste Verhandlungsphase erreicht.

Eine am vergangenen Wochenende ausgehandelte Kompromissformel war
zunächst auf Widerstand der nordirischen Partei DUP gestoßen, auf
deren Stimmen May im britischen Parlament angewiesen ist. In
tagelangen Gesprächen wurden diese Bedenken offenbar ausgeräumt.
Juncker sagte, May habe ihm versichert, die jetzt gefundene Lösung
habe die Unterstützung in London.

May bekräftigte, dass die gefundene Formel keine Sonderstellung für
Nordirland bedeute. Es werde auch keine Zollgrenze zwischen der
britischen und der irischen Insel geben. Wie dies geschehen soll,
blieb zunächst offen. May verwies auf ein künftiges Handelsabkommen
mit der EU und «einzigartige» Lösungen für die einzigartige Situati
on
in Irland.

Die Chefin der nordirischen DUP (Democratic Unionist Party), Arlene
Foster, sagte am Freitag, May habe ihr eine klare Bestätigung
gegeben, dass ganz Großbritannien die EU, den europäischen
Binnenmarkt und die Zollunion verlassen werde. Es habe seit Anfang
der Woche einen «substanziellen Fortschritt» an dem Text gegeben.
Trotzdem gebe es noch Angelegenheiten, die sie gerne geklärt hätte.
«Uns ist die Zeit ausgegangen» sagte Foster dem Nachrichtensender Sky
News.

Bewegung hatte es schon vor Tagen bei den beiden anderen Topthemen
gegeben: Bei den künftigen Rechten der 3,2 Millionen EU-Bürger in
Großbritannien und bei der Schlussrechnung Großbritanniens für die
während der EU-Mitgliedschaft gemeinsam eingegangenen
Finanzverpflichtungen. Juncker sagte, nun sei sicher, dass die
EU-Bürger in Großbritannien ihr Leben so weiterführen könnten wie
bisher. Das gelte auch für die Briten in der EU. Auch mit den
finanziellen Zusagen Großbritanniens zeigte sich Juncker zufrieden.

Der Kommissionschef empfahl den 27 Mitgliedstaaten offiziell, nun in
die zweite Phase der Verhandlungen einzutreten. Die Entscheidung
darüber fällen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats-

und Regierungschefs am Freitag in einer Woche beim EU-Gipfel.

Tusk schlug unmittelbar darauf Leitlinien für die nächste Phase vor.
Sein Plan: Zunächst soll nur über die geplante Übergangsphase nach
dem Brexit verhandelt werden. In dieser Phase soll Großbritannien
nach Tusks Vorschlag weiter Teil des EU-Binnenmarkts mit allen
Freiheiten sein, aber kein Stimmrecht mehr auf EU-Ebene haben. Über
die künftigen Beziehungen soll es nach Tusks Worten zunächst nur
«Sondierungsgespräche» geben, bevor die EU nächstes Jahr auch daf
ür
Leitlinien beschließt.

May wich bei der Pressekonferenz mit Juncker der Frage aus, ob ihr
angesichts der schwierigen Verhandlungen Zweifel am Brexit gekommen
seien. «Das britische Volk hat gewählt und dafür gestimmt, die
Europäische Union zu verlassen», sagte May. Und Großbritannien werde

die EU verlassen.