Brexit: Durchbruch ebnet Weg in Verhandlungsphase zwei

08.12.2017 17:36

Es ist der erste Erfolg für die Europäische Union und Großbritannien

im scheinbar endlosen Streit über den Brexit. Aber so rechte
Begeisterung kommt nicht auf.

Brüssel/London (dpa) - Nach sechs Monaten Brexit-Verhandlungen haben
die Europäische Union und Großbritannien am Freitag endlich die
ersten Streitfragen geklärt und ein Scheitern vorerst abgewendet. So
wird London nach dem für 2019 geplanten EU-Austritt nach eigener
Schätzung noch 40 bis 45 Milliarden Euro an Brüssel überweisen.
Außerdem wird London EU-Bürgern im Land umfassende Bleiberechte
gewähren und eine offene Grenze zu Irland garantieren.

Damit scheint der Weg frei für die nächste Verhandlungsphase ab Mitte
Dezember. Es seien «ausreichende Fortschritte» erreicht, sagte
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in einer Pressekonferenz mit
Premierministerin Theresa May in Brüssel.

Wirtschaftsverbände auf beiden Seiten reagierten erleichtert, dass
demnächst wohl Gespräche über die künftigen Handelsbeziehungen beid
er
Seiten beginnen können und die Gefahr eines ungeordneten Brexit
kleiner wird.

Doch blieben viele Reaktionen aber verhalten - sowohl bei der
Bundesregierung als auch im Europaparlament. Viele wiesen auf weitere
erwartete Schwierigkeiten hin. Die Einigung vom Freitag gilt nur als
Grundstock eines Austrittsvertrags, der bis Oktober 2018 fertig sein
soll.

In Großbritannien, wo es bis zuletzt massive Widerstände gegen
Kompromisse mit der EU gegeben hatte, erntete May Lob von mehreren
Kabinettsmitgliedern, darunter der Außenminister und
Brexit-Befürworter Boris Johnson. Auch die nordirische Partei DUP,
die May mit ihren Stimmen im Parlament stützt, schien die Einigung
trotz Bedenken anzunehmen.

Der letzte große Knackpunkt der ersten Verhandlungsphase war die
Frage, wie Grenzkontrollen zwischen dem EU-Staat Irland und dem
britischen Nordirland vermieden werden können. Irland pochte auf eine
schriftliche Zusage Großbritanniens. Nun sagte May: «Wir werden
garantieren, dass es keine harte Grenze gibt.»

Die beiden anderen Topthemen waren schon vor Tagen weitgehend
geklärt. Bei den künftigen Rechten der 3,2 Millionen EU-Bürger in
Großbritannien hat die EU aus Junckers Sicht durchgesetzt, dass sie
ihr Leben dort weiter führen können wie bisher. Zudem ging
Großbritannien auf finanzielle Forderungen der EU für gemeinsam
eingegangene Verpflichtungen ein.

Die EU beziffert diese nicht, und in der Vereinbarung sind nur
Berechnungsmethoden aufgeführt. Daraus errechnet die britische
Regierung aber ein Volumen von bis zu 45 Milliarden Euro, wie ein
Sprecher bestätigte. Auf EU-Seite war inoffiziell einmal von
Forderungen über 60 bis 100 Milliarden Euro die Rede gewesen.

Der EU-Gipfel am 15. Dezember wird nun voraussichtlich offiziell die
zweite Verhandlungsphase einläuten. Großbritannien hofft auf ein
starkes Handelsabkommen mit der EU, um der Wirtschaft nicht zu
schaden. Die EU will allerdings nach den Worten von Ratspräsident
Tusk zunächst nur über die von Großbritannien vorgeschlagene
Übergangszeit nach dem Brexit reden. In der Zeit soll London weiter
Beiträge an die EU überweisen und alle Regeln des Binnenmarktes
einhalten, aber kein Stimmrecht auf EU-Ebene mehr haben.

Erst danach soll es nach Tusks Plan im Detail um den Handelspakt
gehen. EU-Chefunterhändler Michel Barnier sagte erstmals, wie er sich
diesen Pakt vorstellt: ähnlich wie das Handelsabkommen Ceta mit
Kanada.