Brüssel verärgert über Brexit-Äußerungen aus London

12.12.2017 19:14

Vorige Woche feierten Unterhändler den ersten Durchbruch bei
Verhandlungen über den geplanten EU-Austritt Großbritanniens. Jetzt
trübt sich die Stimmung schon wieder.

Brüssel (dpa) - Kurz vor der Entscheidung zur Ausweitung der
Brexit-Verhandlungen wachsen neue Spannungen zwischen der
Europäischen Union und Großbritannien. Weitere Fortschritte könne es

nur geben, wenn die bisherigen Vereinbarungen respektiert und in
Vertragsrecht umgesetzt würden, betonte ein hoher EU-Beamter am
Dienstag. Auch EU-Unterhändler Michel Barnier und die Bundesregierung
zeigten sich irritiert über Äußerungen des britischen
Brexit-Ministers David Davis.

Dieser hatte erklärt, die vergangene Woche zugesagten Zahlungen an
die EU werde Großbritannien nur leisten, wenn ein Handelsabkommen
beider Seiten zustande komme. Gleichzeitig zeigte sich Davis sicher,
dass ein solche Vertrag schon beim britischen EU-Austritt Ende März
2019 unterschriftsreif sein werde.

Das wies Barnier kategorisch zurück. Davis «weiß sehr genau, was
möglich ist und was nicht möglich ist», sagte der EU-Unterhändler.

Bis Oktober 2018 werde es nur ein Austrittsabkommen geben. Dies werde
mit einer «politischen Erklärung» zum Rahmen der künftigen
Beziehungen flankiert. Dagegen brauche man für den Abschluss eines
Handelsabkommens in allen Einzelheiten «mehr Zeit», sagte Barnier.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen EU-Staats- und
Regierungschefs wollen am Freitag auf dem EU-Gipfel offiziell
feststellen, dass in den bisherigen Gesprächen ausreichender
Fortschritt erzielt worden sei und die zweite Verhandlungsphase
starten könne. Dann soll über eine etwa zweijährige Übergangsphase

nach dem Brexit sowie die künftigen Beziehungen gesprochen werden.

Basis ist eine Einigung über wichtige Trennungsfragen, die beide
Seiten vergangene woche nach langem Hin und Her erzielt hatten -
darunter zugesagte Zahlungen von etwa 40 bis 45 Milliarden Euro. Auch
die britische Premierministerin Theresa May hatte am Montag gesagt,
das Angebot gelte nur im Falle einer Einigung auf ein
Handelsabkommen.

Für die Bundesregierung äußerte Europastaatsminister Michael Roth
Kritik an den Äußerungen aus Ländern. «Man muss hier genauso
auftreten und sprechen, wie man das auch in London tut», sagte der
SPD-Politiker in Brüssel. Er sei «etwas verwundert».

Unmut gibt es im Europaparlament. Brexit-Beauftragter Guy Verhofstadt
sagte, die Äußerungen von Davis «untergraben das Vertrauen, das man
in solchen Verhandlungen braucht». Großbritannien müsse zu seinen
Verpflichtungen stehen und diese müssten in den Austrittsvertrag
übernommen werden. Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei,
Manfred Weber, forderte eine Klarstellung von May.

Davis zeigte sich daraufhin versöhnlich. Er erklärte auf Twitter, er
habe mit Verhofstadt gesprochen und man sei sich einig über die
Bedeutung der gemeinsamen Erklärung zu den bisherigen
Verhandlungsergebnissen. «Lasst uns zusammen daran arbeiten, sie so
schnell wie möglich in einen juristischen Text zu übersetzen»,
schrieb Davis.

Das Europaparlament, das letztlich dem Austrittsvertrag zustimmen
muss, will am Mittwoch in einer Resolution Leitplanken für die
weiteren Verhandlungen setzen. In London berät dann auch das
britische Unterhaus erneut über das dortige EU-Austrittsgesetz.
Abgeordnete versuchen eine Art Vetorecht des Parlaments für das
Brexit-Abkommen durchzusetzen.