Der Döner bleibt, wie er ist - gleichberechtigt mit dem Kassler Von Dieter Ebeling, dpa

13.12.2017 16:06

Jede Stimme zählt im Europaparlament. Erst recht, wenn es um den
Döner geht. Ganz besonders zählen fehlende Stimmen bei der
Döner-Entscheidung im Europäischen Parlament.

Straßburg (dpa) - Es war knapp für den Döner, sehr knapp. 373
Ja-Stimmen zeigten im Europaparlament die Anzeigetafeln für eine
Entschließung an. Mit ihr sollte die EU-Kommission gehindert werden,
den Döner, anderswo schlicht Kebab genannt, in die Liste jener
Lebensmittel aufzunehmen, die mit einer geringen Phosphorzugabe noch
haltbarer und noch knackiger gemacht werden dürfen. Doch es reichte
nicht: Drei Stimmen fehlten zur absoluten Mehrheit von 376 Stimmen -
und die wäre an diesem Mittwoch im Straßburger Parlament nötig
gewesen, um die Kommission zu stoppen.

Der Döner darf also bleiben wie er ist. Für die einen war das eine
gute Nachricht. Für Renate Sommer beispielsweise. Die CDU-Abgeordnete
aus Nordrhein-Westfalen hatte noch in der Nacht vor der Abstimmung
vor den schwer verdaulichen Folgen eines Phosphat-Verbots gewarnt:
«Ohne Phosphat kein Döner, sondern ein zusammengesackter
Fleischhaufen - ein Hygienerisiko.» Die SPD-Abgeordnete Susanne
Melior sah das ganz anders: «Was Sie hier machen, ist Panikmache auf
hohem Niveau», warf sie Sommer vor. Der Döner sei mitnichten
gefährdet. Es gehe nur um eins: «Der Zusatz von Phosphaten ist für
Fleischzubereitungen nicht zugelassen.»

Schon die sorgfältige Wortwahl verriet, dass kurz vor der
Geisterstunde im fast menschenleeren Plenarsaal echte Döner-Experten
stritten. Denn die Frage, ob der Döner eine «Fleischzubereitung» oder

nur ein «Fleischprodukt» ist, war in der Debatte von größter
Bedeutung. Tatsächlich zeigte sich über die Jahre, dass in den
EU-Ländern Döner Kebab höchst unterschiedlich klassifiziert wurde.
Als Fleischzubereitung muss der Döner ohne Phosphat auskommen, als
Fleischprodukt sind jedoch seine Chancen auf eine Ausnahmegenehmigung
besser. Und die wird er nun von der EU-Kommission bekommen. Damit
wird der Döner - die Rede ist stets nur vom gefrorenen senkrechten
Spieß - dem Kassler Fleisch gleichgestellt. Aber auch dem Brät von
Würstchen, dem Hamburger oder Erfrischungsgetränken.

Der für Lebensmittelsicherheit zuständige EU-Kommissar Vytenis
Andriukaitis fand, der Döner erfülle alle Voraussetzungen für seine
Aufnahme in die Positivliste: Keine Gesundheitsbedenken, eine
technologische Notwendigkeit und keine Gefahr einer Irreführung der
Verbraucher. Schon 1991 habe ein wissenschaftlicher Ausschuss für
Lebensmittel festgestellt, dass Döner ungefährlich sei. Und 2013 habe
man das noch einmal bestätigt. Zudem gebe es Vorteile für den
Verbraucher: Weil das Fleisch besser zu verarbeiten sei, gefriere es
gleichmäßig und sei deswegen besser zu braten. Andriukaitis: «Das
führt zu einem schmackhafteren Produkt für den Verbraucher.»  

Die dänische Sozialdemokratin Christel Schaldemose führte die Front
der Phosphat-Bekämpfer an: Es gebe Befürchtungen, dass der
Phosphat-Döner ungesund sei, Herz und Kreislauf belaste. Deswegen
solle man vorsichtshalber abwarten, bis im kommenden Jahr eine neue
Studie der EU-Lebensmittelaufsicht EFSA Klarheit schaffe. Und der
belgische Grüne Bert Staes argumentierte in seinem gemeinsamen
Bericht mit Schaldemose, es gebe durchaus phosphatfreie Alternativen.
 

Davon könne keine Rede sein, sagte Renate Sommer. Der Phosphat-Döner
sei alternativlos. «Panikmache, ignorant und verantwortungslos» seien
die grünen und sozialdemokratischen Kritiker. 134 Milligramm Phosphat
enthalte ein Döner - 4200 Milligramm seien als Tagesration
unbedenklich. «Zigtausend Arbeitsplätze» würden gefährdet. Vor al
lem
in Deutschland. Schließlich ist Deutschland eine Döner-Macht: 80
Prozent der in Europa verzehrten Spieße werden hierzulande
hergestellt.