Niki-Übernahme geplatzt: Passagiere und Steuerzahler in Nöten Von Christian Ebner, dpa, und Steffen Weyer, dpa-AFX

13.12.2017 20:30

Der Austro-Ferienflieger Niki ist pleite. Nachdem die Lufthansa ihr
Kaufangebot zurückgezogen hatte, stellte die Air-Berlin-Tochter am
Mittwoch den Insolvenzantrag. Das hat weitreichende Folgen
für Passagiere und Steuerzahler.

Frankfurt/Main (dpa) - Die lang eingefädelte Übernahme weiter Teile
der insolventen Air Berlin durch die Lufthansa ist geplatzt. Wegen
starker wettbewerbsrechtlicher Bedenken der EU-Kommission verzichtet
der Frankfurter Dax-Konzern auf den österreichischen Ferienflieger
Niki mit 20 Flugzeugen. Niki stellte am Abend den Flugbetrieb ein und
hatte zuvor schon einen Insolvenzantrag eingereicht. Um wenigstens
die andere Air-Berlin-Tochter LG Walter in die eigene Eurowings
übernehmen zu können, will die Lufthansa weitere Zugeständnisse bei
Start- und Landerechten machen.

Was bedeuten die geplatzte Übernahme sowie die Insolvenz für Reisende
in der Weihnachtszeit?

Die Niki stellt nach der Insolvenz abrupt ihren Flugbetrieb ein -
damit können Tausende Passagiere ihre bereits gebuchten Flüge nicht
antreten. Sofern sie in Verbindung mit einer Pauschalreise gebucht
sind, müsste der Veranstalter für Ersatzflüge sorgen. Für Flugg
äste,
die ihre Tickets direkt bei der Niki gekauft haben, wollen andere
Gesellschaften einen Ersatz-Flugplan organisieren. Sollte sich kein
neuer Käufer für die österreichische Airline finden, verschwände
erneut die Kapazität von 20 Flugzeugen aus dem mitteleuropäischen
Markt, was nach den Erfahrungen aus der Air Berlin-Pleite zu
Engpässen und höheren Durchschnittspreisen bei den verbleibenden
Anbietern führen dürfte.

Gibt es noch Chancen, dass andere Bieter die Niki übernehmen?

Letztlich werden die Karten im Übernahmepoker neu gemischt. Auch nach
dem «Grounding» könnten zumindest die Niki-Slots für den
Sommerflugplan ab Mitte März noch einen gewissen Gegenwert darstellen
und Käufer anlocken. Trotz der bislang erfolglosen Gespräche und
zwischenzeitlichen Absagen könnten erneut die Großkonzerne IAG
(British Airways, Iberia, Vueling) und Thomas Cook (Condor) Interesse
haben. Insidern zufolge tagte bereits am Mittwochnachmittag der
Thomas-Cook-Verwaltungsrat, bei dem das Thema zur Sprache kam. Sie
sind jetzt gegenüber dem Air-Berlin-Generalbevollmächtigten Frank
Kebekus in einer sehr starken Position.

Was wird aus den Arbeitsplätzen?

Wegen der Insolvenz stehen kurz vor Weihnachten 1000 Mitarbeiter auf
der Straße, wie Kebekus bereits vor dem Bekanntwerden der Pleite
klargemacht hat. Das betrifft nicht nur Österreich. Viele Besatzungen
sind in Deutschland stationiert und bringen Passagiere von hier aus
zu Badezielen etwa ans Mittelmeer. Piloten und Flugbegleiter haben
aber wohl gute Chancen, bei der Lufthansa-Tochter Eurowings
unterzukommen. Die soll nun aus eigener Kraft wachsen. Viele
Flugzeuge aus der Air-Berlin-Gruppe hat Lufthansa schon von
Leasingfirmen gekauft. Es fehlen praktisch nur noch die Besatzungen.
Falls ein anderer Käufer den Zuschlag für die Niki bekommt, könnten
dort Jobs erhalten bleiben.

Wie geht die Lufthansa jetzt weiter vor?

Die umsatzstärkste Fluggesellschaft Europas will zunächst in Brüssel

retten, was noch zu retten ist, nämlich die zweite Air-Berlin-Tochter
LG Walter. In diesem nicht insolventen Flugbetrieb sind derzeit 20
Propellermaschinen und 14 Airbus A320 registriert, die samt eigenem
Personal Verbindungen für die Lufthansa-Tochter Eurowings fliegen.
Sie verfügt über zusätzliche Start- und Landerechte aus dem
Air-Berlin-Erbe, die aber auch noch Gegenstand von Verhandlungen mit
den unerwartet strengen Brüsseler Wettbewerbshütern werden könnten.
Mittelfristig will Lufthansa die Eurowings nun aus eigener Kraft
wachsen lassen. Es wird aber deutlich länger dauern, als wenn man die
20 Niki-Jets samt eingearbeiteten Crews hätte übernehmen können.

Warum hatte die Lufthansa als Marktführerin überhaupt den Zuschlag
für den Großteil von Air Berlin erhalten?

Nach Aussage von Air-Berlin-Sachwalter Lucas Flöther haben die
Lufthansa und Easyjet schlicht am meisten Geld geboten. «Entgegen
allen Verschwörungstheorien haben wir an diejenigen verkauft, die das
beste Angebot vorgelegt haben», sagte er im November der
«Süddeutschen Zeitung». Die British-Airways-Mutter IAG, die sich die

Niki für ihre spanische Tochter Vueling einverleiben wollte, zog
ebenso den Kürzeren wie der Ferienflieger Condor. Allerdings haben
die Beteiligten die EU-Kommission falsch eingeschätzt. Kebekus
rechnete zwar mit Auflagen der Behörde. «Das heißt aber nicht, dass
der gesamte Deal infrage gestellt wird», sagte er.

Bekommt der Staat seinen Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro
zurück?

Die Bundesregierung sagt selbst, dass der Kredit möglicherweise nur
zum Teil an die KfW zurückgezahlt werden kann. Sollte sich kein neuer
Käufer für die Niki finden, könnte es bei einem mittleren
zweistelligen Millionenbetrag bleiben, für den größeren Rest müsste

der Steuerzahler aufkommen, da der Staat gebürgt hat. 40 Millionen
Euro fließen von der britischen Easyjet, 18 Millionen Euro von der
Lufthansa für die LG Walter und ein unbekannter Betrag für die Air
Berlin Technik, die vom Berliner Logistikunternehmen Zeitfracht
übernommen worden ist.

Was bedeutet das Scheitern der Übernahme und die Insolvenz für den
Wettbewerb?

Das lässt sich erst genauer sagen, wenn das Schicksal der Niki
endgültig klar wird. Findet sich noch ein Käufer, entsteht besonders
auf dem Markt der Ferienflüge möglicherweise ein größeres
Gegengewicht zur Eurowings der Lufthansa. Bleibt Niki hingegen
komplett am Boden, könnte gerade die Eurowings schnell in die Lücken
stoßen, das frei werdende Personal einstellen und auf den neu
verteilten Slots zusätzliche Flüge anbieten.