EZB bleibt Billig-Geld-Kurs vorerst treu Von Jörn Bender und Friederike Marx, dpa

14.12.2017 05:00

Europas Währungshüter stehen weiter auf dem Gaspedal - auch wenn die
Milliarden aus dem Frankfurter Eurotower in den nächsten Monaten
nicht mehr so üppig sprudeln sollen. Der Ruf nach einem Fahrplan für
den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik wird lauter.

Frankfurt/Main (dpa) - Sparer müssen sich weiter gedulden: 2018 ist
ziemlich sicher nicht mit steigenden Zinsen zu rechnen. Die
Europäische Zentralbank (EZB) steigt nur langsam aus ihrem
Anti-Krisen-Kurs aus.

Was hat die EZB 2018 vor?

Bis auf Weiteres bleiben die Geldschleusen weit geöffnet: Noch bis
mindestens Ende September 2018 kauft die Notenbank Staats- und
Unternehmensanleihen - auch wenn das monatliche Volumen von Januar an
auf 30 Milliarden Euro halbiert wird. Sind die neun Monate
Verlängerung abgelaufen, wird die EZB 2,55 Billionen Euro investiert
haben. Der Leitzins im Euroraum bleibt mindestens bis zum Ende des
gewaltigen Kaufprogramms auf dem Rekordtief von null Prozent.

Warum stoppt die Notenbank die Anleihenkäufe nicht schon jetzt?

Die Währungshüter trauen der Erholung der Inflation nicht recht. Zwar
sind die Zeiten vorerst vorbei, in denen die Teuerungsrate nahe der
Null-Marke dümpelte und die Sorge vor einer Abwärtsspirale aus
sinkenden Preisen und schrumpfender Wirtschaft (Deflation) groß war.
Doch nachhaltige Preisstabilität sehen die Währungshüter noch nicht.

Nach Einschätzung von EZB-Präsident Mario Draghi ist der Euroraum
trotz solider Wirtschaftserholung weiterhin auf Unterstützung der
Notenbank angewiesen: «Wir sind noch nicht an dem Punkt angelangt, an
dem die Erholung der Inflation sich selbst trägt ohne unsere
unterstützende Geldpolitik», sagte Draghi Mitte November.

Was will die EZB erreichen?

Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig eine Teuerungsrate von
knapp unter 2,0 Prozent an. Weit genug entfernt von der Nullmarke
sieht sie Preisstabilität gewahrt. Denn dauerhaft niedrige oder gar
sinkende Preise könnten Verbraucher und Unternehmen dazu verleiten,
Investitionen aufzuschieben. Das könnte die Konjunktur bremsen. Im
November legte die Inflationsrate im Euroraum leicht auf 1,5 Prozent
zu. Die Kerninflation allerdings, die die Teuerung ohne Energie und
Lebensmittel misst, betrug unverändert 0,9 Prozent.

Ist der vorsichtige Ausstiegskurs der EZB umstritten?

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hätte sich einen mutigeren Schritt
im Herbst gewünscht: Zwar vertritt auch Deutschlands oberster
Währungshüter die Mehrheitsmeinung, dass eine lockere Geldpolitik
nach wie vor angemessen ist. Dennoch hätte sich Weidmann zumindest
«einen eindeutigen Endtermin» für die Anleihenkäufe gewünscht. Do
ch
damit konnte sich Weidmann im EZB-Rat nicht durchsetzen. EZB-Direktor
Benoît Coeuré erklärte in einem Interview mit dem «Handelsblatt»:

«Die Mehrheit war der Meinung, dass wir bezüglich des Endes flexibel
sein müssen, weil bis September 2018 noch eine Menge in der
Weltwirtschaft passieren kann.» Allerdings wird der Ruf nach einem
klaren Fahrplan lauter. Commerzbank-Chef Martin Zielke forderte: «Wir
brauchen eine klare Ansage: Wie sieht der Ausstieg aus?»

Was sind die Nebenwirkungen der ultralockeren Geldpolitik?

Beobachter befürchten, dass sich «Blasen» beispielsweise an Aktien-
oder Immobilienmärkten bilden - sprich: die Preise blähen sich über
ein gesundes Maß hinaus auf. In deutschen Großstädten etwa liegen die

Preise für Häuser und Wohnungen nach Bundesbank-Zahlen teils um 15
bis 30 Prozent über einem angemessenen Niveau. Die Bank für
Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt in ihrem jüngsten
Quartalsbericht vor neuen Verwerfungen an den Finanzmärkten. «Der
Preis für kurzfristige Ruhe sind mögliche Turbulenzen auf lange
Sicht», konstatierte BIZ-Chefvolkswirt Claudio Borio. In vielen
Ländern seien die Schuldenstände deutlich größer als vor der jüng
sten
Finanzkrise, die Bewertung mancher Vermögenswerte überzogen. Experten
sehen die Gefahr, dass Anleger auf der Suche nach Rendite ins Risiko
gehen. Friedrich Heinemann vom ZEW warnt zudem vor einem Erlahmen der
Reformbereitschaft: «Kein Eurostaat ist zur Finanzierung seiner
Defizite neben der EZB noch auf andere Kreditgeber angewiesen.»

Wann ist wieder mit steigenden Zinsen zu rechnen?

Volkswirte rechnen damit, dass die Notenbank ab 2019 die Leitzinsen
allmählich wieder anheben wird. Die erste Zinserhöhung, die
tatsächlich auf dem Sparbuch ankommt, erwartet Dekabank-Chefvolkswirt
Ulrich Kater erst 2021 - «die wird dann aber von der Inflation
aufgefressen». Kater meint: «Die EZB könnte schneller aussteigen,
will aber die Erfolge der vergangenen Jahre nicht gefährden.»