DGB: Deutschland muss sich drohender Erosion der EU entgegenstellen

28.12.2017 09:45

Was soll 2018 ganz oben auf die politische Agenda? Aus Sicht des
DGB-Chefs das Abwenden einer Erosion Europas. Enorme Fliehkräfte
sieht er am Werk - und die Zeit ist aus seiner Sicht knapp.

Berlin (dpa) - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat vor einem
Auseinanderdriften der Europäischen Union gewarnt. Um dem
entgegenzutreten, brauche Deutschland möglichst bald eine neue,
handlungsfähige Bundesregierung, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann der
Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Die Erosion der EU ist eine der
größten Gefahren, mit denen wir im neuen Jahr und danach konfrontiert
sind», warnte er. «Wenn nicht schnell gegengesteuert wird, wird sich
die Vertrauenskrise in eine veritable politische Krise entwickeln.»

Deutschland werde ohne eine stabile Regierung im Rat der EU nicht
handlungsfähig sein, mahnte Hoffmann. Der DGB-Vorsitzende hatte Union
und SPD mit Blick auf ihre Sondierungen bereits zu einem klaren Kurs
in Richtung einer neuen großen Koalition und die SPD zu einem
Bekenntnis zum Regieren aufgerufen.

«Das Zeitfenster für dringende europäische Aufgaben ist
außerordentlich eng», sagte er. «Wir brauchen eine handlungsfähige

Regierung, die ihre Hand in Richtung des französischen Präsidenten
ausstreckt.» Emmanuel Macron hatte im September seinen EU-Reformplan
vorgestellt und einen eigenen Haushalt und einen Finanzminister für
die Eurozone vorgeschlagen. Auch ein europäisches Verteidigungsbudget
sowie eine gemeinsame Interventionstruppe schwebt Macron vor.

«Wichtige Weichen müssen vor der Europawahl 2019 gestellt werden»,
forderte Hoffmann. «Wir haben ein Zeitfenster von rund einem Jahr.»
Umgesetzt werden müssten auch die sozialen Rechte, die im November
beim Sozialgipfel in Göteborg proklamiert wurden.

«Der Brexit wird an Deutschland nicht spurlos vorbeigehen. Und wir
dürfen nicht zulassen, dass bei der nächsten Wahl in Frankreich die
Europakritiker gewinnen», sagte der DGB-Chef. «Sonst droht nach dem
Brexit der Frexit.»

Die Lage sei ernst: Österreich habe nun eine Rechtsregierung, Polen
und Ungarn hätten rechtsnationale Regierungen, in Tschechien wolle
die Regierung das Land wie einen Konzern führen. Die südeuropäischen

Länder hätten teils immer noch über 20 Prozent Arbeitslose.

«Wir brauchen eine Vertiefung der Währungsunion, eine Abkehr von der
drückenden Austeritätspolitik, einen Kurswechsel für
Zukunftsinvestitionen», forderte Hoffmann. «Wir werden Europa nicht
retten, wenn die sozialen Rechte nicht umgesetzt werden.» Man müsse
dem Eindruck entgegentreten, dass Europa nur ein Binnenmarkt mit
Steuernachteilen für Arbeitnehmer sei.

Der politische Handlungsbedarf in Deutschland und Europa sei groß.
«Der Modernisierungsbedarf im Land, der Zusammenhalt Europas und der
Kampf gegen Rechtspopulismus sind die drei großen Herausforderungen
2018», sagte Hoffmann.