Für bessere Luft: Bund erwägt Förderung von kostenlosem Nahverkehr

13.02.2018 13:19

In vielen deutschen Städten werden Schadstoff-Grenzwerte nicht
eingehalten, es drohen Diesel-Fahrverbote. Bisherige Maßnahmen
reichen aus Sicht der EU-Kommission nicht aus - die Bundesregierung
will nun nachlegen.

Berlin/Brüssel (dpa) - Die Bundesregierung will angesichts einer
drohenden Klage der EU-Kommission ihre Maßnahmen für saubere Luft in
deutschen Städten ausweiten. Der Bund erwägt zusammen mit Ländern und

Kommunen einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, um die Zahl
privater Fahrzeuge zu verringern. Das geht aus einem Brief von
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian
Schmidt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) an
EU-Umweltkommissar Karmenu Vella hervor. Das Schreiben lag der
Deutschen Presse-Agentur am Dienstag vor. Zuerst hatte das Magazin
«Politico» darüber berichtet.

Bislang gibt es in Deutschland nach Angaben des Verbands Deutscher
Verkehrsunternehmen (VDV) keinen kostenlosen Nahverkehr. Der
Vorschlag zum ÖPNV könnte bedeuten, dass der Bund Länder und Kommunen

finanziell dabei unterstützt, wenn diese einen kostenlosen
öffentlichen Nahverkehr einführen wollen. In vielen deutschen Städten

werden Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten.

«Wir sehen das auch sehr kritisch», sagte eine VDV-Sprecherin am
Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Mit rund zwölf Milliarden Euro
jährlich finanzierten sich die Verkehrsbetriebe etwa zur Hälfte aus
dem Ticketverkauf. «Das müsste am Ende der Steuerzahler finanzieren.»

Weitere Milliarden wären nötig für neue Busse, Bahnen und Personal.
Denn: «Wir hätten bei einem kostenlosen Angebot einen enormen
Fahrgastzuwachs.»

Von den beteiligten Ministerien gab es zunächst keine Stellungnahme.
Die Bundesregierung stellt in dem Brief an die EU-Kommission noch
andere Maßnahmen vor. So verweist sie auf das bereits auf den Weg
gebrachte Milliarden-Programm für bessere Luft in Städten.

Außerdem sollen «bei Bedarf» Städte darin unterstützt werden,
wirksame Verkehrsregeln auf den Weg zu bringen, um die von Autos
verursachte Umweltverschmutzung zu reduzieren. Für den
Schwerlastverkehr solle es «Niedrigemissionszonen» geben.

Die Wirksamkeit von Maßnahmen für eine bessere Luft solle in fünf
«Modellstädten» getestet werden - und zwar in Bonn, Essen, Herrenberg

(Baden-Württemberg), Reutlingen und Mannheim.

Der Kampf gegen Luftverschmutzung habe «höchste Priorität» für
Deutschland, heißt es in dem Schreiben. Eine neue Bundesregierung
werde unverzüglich neue Maßnahmen auf den Weg bringen.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, gemeinsam
mit Ländern und Kommunen die Anstrengungen für eine Verbesserung der
Luftqualität vor allem in besonders belasteten Städten erheblich zu
verstärken. So soll der Umstieg von Fahrzeug-Fuhrparks auf
emissionsarme Antriebe vorangetrieben werden.

Außerdem soll laut Koalitionsvertrag die Verlagerung des
Pendlerverkehrs auf die Schiene gefördert werden. Zudem soll der
Ordnungsrahmen so geändert werden, dass Länder und Kommunen in der
Lage sind, verbindliche Vorgaben und Emissionsgrenzwerte für den
gewerblichen Personenverkehr wie Busse und Taxen zu erlassen.

Die EU-Kommission hält die bisherigen Maßnahmen Deutschlands für
unzureichend, um Grenzwerte für Stickoxide einzuhalten. Sie hatte die
Bundesregierung aufgefordert, nachzulegen. Die Kommission will im
März über eine mögliche Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuG
H)
wegen zu hoher Luftverschmutzung gegen Deutschland und acht weitere
Staaten befinden, hatte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am
Montag mitgeteilt. Verlöre Deutschland einen solchen Rechtsstreit,
würden letztlich hohe Strafgelder drohen.

Um das Thema Fahrverbote geht es am 22. Februar auch vor dem
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Das Gericht könnte eine
wegweisende Entscheidung fällen, ob Fahrverbote rechtmäßig sind.

Die Bundesregierung hatte erklärt, dass es in 20 deutschen Städten -
trotz aller Anstrengungen - wohl auch bis zum Jahr 2020 nicht
gelingen werde, die EU-Grenzwerte für Stickoxide einzuhalten. Eine
wichtige Quelle für Stickoxide ist der Autoverkehr - vor allem
Dieselwagen sind in der Kritik.