Kostenloser ÖPNV für bessere Luft? Geteiltes Echo auf Überlegungen

14.02.2018 04:30

Wie kann die Luftqualität in deutschen Städten verbessert werden?
Möglich wäre, dass der Bund künftig einen kostenlosen Nahverkehr
fördert. Doch es gäbe einige Voraussetzungen dafür.

Berlin (dpa) - Der Vorstoß der Bundesregierung zu einem möglichen
kostenlosen öffentlichen Nahverkehr für bessere Luft in den Städten
ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Kommunalverbände begrüßten die

Überlegungen zwar grundsätzlich - forderten aber zugleich, dass die
Finanzierung sichergestellt werden müsse. «Der Bund muss sagen, wie
er so etwas bezahlen möchte», sagte der Präsident des Verbands
kommunaler Unternehmen (VKU), der Mainzer Oberbürgermeister Michael
Ebling, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Zudem stelle ich mir
die Frage, wie das in der Praxis umgesetzt werden soll.»

Die Bundesregierung erwägt zur Verbesserung der Luftqualität, Länder

und Kommunen bei einem möglichen kostenlosen ÖPNV finanziell zu
fördern. Damit soll die Zahl privater Fahrzeuge - und damit auch
dreckiger Dieselautos - verringert werden. Das geht aus einem Brief
von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister
Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) an
EU-Umweltkommissar Karmenu Vella hervor. Das Schreiben liegt der
Deutschen Presse-Agentur vor.

Denkbar ist, dass der Bund Städte fördert, die einen kostenfreien
Nahverkehr organisieren wollen. Viele Fragen sind jedoch noch offen.
Hintergrund der Überlegungen ist zum einen Druck aus Brüssel.
Deutschland droht eine Klage, weil seit Jahren in vielen Städten
Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxiden nicht eingehalten werden -
diese gelten als gesundheitsschädlich. Daneben drohen in Deutschland
gerichtlich erzwungene Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge.

«Bei der Vermeidung von Fahrverboten darf es keine Denkverbote geben.
Daher ist jeder der Vorschläge überlegenswert, um die Luft sauberer
zu machen», sagte Ebling. «Kostenloser Nahverkehr ist eine visionäre

Vorstellung, die auf jeden Fall mehrere Testballons braucht. Denn so
einfach ist das nicht.» Mehr Menschen mit dem ÖPNV zu befördern,
bedeute, auch neue Busse und Straßenbahnen zu kaufen und an die
infrastrukturellen Gegebenheiten und Zeitpläne anzupassen.
«Kurzfristig lässt sich so etwas nicht umsetzen.»

Der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte der dpa, die große
Koalition sei beim öffentlichen Verkehr in den Städten seit Jahren
weitgehend untätig. «Nun in einem Brief an Brüssel mit Vorschlägen
zu
kommen, die im Koalitionsvertrag nicht mal erwähnt sind, ist
unglaubwürdig.» Ein kostenloser ÖPNV sei interessant, löse aber nic
ht
das akute Problem schmutziger Luft. «Um wirklich etwas gegen dreckige
Luft zu tun, brauchen wir die blaue Plakette und Verpflichtung zur
Nachrüstung von manipulierten Fahrzeugen auf Kosten der Hersteller.
Doch dem verweigert sich die Bundesregierung seit Jahren.»

Der Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn sagte, ein kostenloser
Nahverkehr sei zwar eine verlockende Idee. «Doch die plakative
Forderung geht am Ziel vorbei.» Wer den öffentlichen Verkehr stärken

wolle, müsse schnell dafür sorgen, dass Busse und Bahnen im dichteren
Takt verkehren und so die heute schon steigende Fahrgastnachfrage
befriedigen können. Die Städte bräuchten dringend mehr Kapazität im

Nahverkehr. Dafür müsse in neue S-Bahn- und Stadtbahnstrecken, mehr
Fahrzeuge und Personal in den Verkehrsbetrieben investiert werden.

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen
Resch, kritisierte, der Brief der Bundesminister an die EU-Kommission
enthalte an keiner Stelle eine klare Zusage, sondern erneut «wolkige
Ankündigungen». Zwar sei ein möglicher kostenloser Nahverkehr ein
richtiger Schritt. «Nur muss dazu auch die über Jahre kaputtgesparte
Infrastruktur passen.» So betrage das Alter der Busse in Deutschland
im Durchschnitt über neun Jahre. Entsprechend verheerend sei die
Qualität der Abgasreinigung. Die Deutsche Umwelthilfe führt
zahlreiche Prozesse, damit Städte Schadstoff-Grenzwerte einhalten.