Kommunen: Kostenloser Nahverkehr auf die Schnelle unmöglich

14.02.2018 08:35

Wie kann die Luftqualität in deutschen Städten verbessert werden? Der
Bund denkt über einen kostenlosen Nahverkehr nach. Das kostet, und
ist nicht von heute auf morgen zu machen, monieren Kritiker.

Berlin (dpa) - Die Überlegungen der Bundesregierung für einen
kostenlosen Nahverkehr in von Autoabgasen belasteten Städten stoßen
auf viel Skepsis. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund verwies vor
allem auf die Kostenfrage. «Die Kommunen und Verkehrsbetriebe können
es jedenfalls nicht bezahlen», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd
Landsberg der «Rhein-Neckar-Zeitung» (Mittwoch). Die Einnahmen von
rund 13 Milliarden Euro pro Jahr im öffentlichen Nahverkehr würden
auch benötigt, um besser zu werden und Angebote auszubauen. Gratis
fahren könne höchstens ein langfristiges Zukunftsprojekt werden.
Erforderlich seien deutlich mehr Fahrzeuge und Personal.

Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sieht größere Hürden.
Zwar dürfe es bei der Vermeidung von Fahrverboten keine Denkverbote
geben, sagte der VKU-Präsident und Mainzer Oberbürgermeister Michael
Ebling der Deutschen Presse-Agentur. Er schränkte ein: «Kostenloser
Nahverkehr ist eine visionäre Vorstellung, die auf jeden Fall mehrere
Testballons braucht. Denn so einfach ist das nicht.» Der Bund müsse
sagen, wie er so etwas bezahlen möchte. «Zudem stelle ich mir die
Frage, wie das in der Praxis umgesetzt werden soll», meinte Ebling.
Mehr Menschen mit dem ÖPNV zu befördern, bedeute, neue Busse und
Straßenbahnen zu kaufen und an die infrastrukturellen Gegebenheiten
anzupassen. «Kurzfristig lässt sich so etwas nicht umsetzen.»

Die Grünen warfen der Bundesregierung Aktionismus vor. Fraktionsvize
Oliver Krischer sagte der dpa, die große Koalition sei beim
öffentlichen Verkehr in den Städten seit Jahren weitgehend untätig.
«Nun in einem Brief an Brüssel mit Vorschlägen zu kommen, die im
Koalitionsvertrag nicht mal erwähnt sind, ist unglaubwürdig.» Ein
kostenloser ÖPNV sei interessant, löse aber nicht das akute Problem
schmutziger Luft. «Um wirklich etwas gegen dreckige Luft zu tun,
brauchen wir die blaue Plakette und Verpflichtung zur Nachrüstung von
manipulierten Fahrzeugen auf Kosten der Hersteller. Doch dem
verweigert sich die Bundesregierung seit Jahren.»

Die Bundesregierung erwägt zur Verbesserung der Luftqualität, Länder

und Kommunen bei einem möglichen kostenlosen ÖPNV finanziell zu
fördern. Damit soll die Zahl privater Fahrzeuge auf den Straßen
verringert werden. Das geht aus einem Brief von Umweltministerin
Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und
Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) an EU-Umweltkommissar Karmenu
Vella hervor.

Denkbar ist, dass der Bund Städte fördert, die einen kostenfreien
Nahverkehr organisieren wollen. Viele Fragen sind jedoch noch offen.
Hintergrund der Überlegungen ist zum einen der Druck aus Brüssel.
Deutschland droht eine Klage, weil seit Jahren in vielen Städten
Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxiden nicht eingehalten werden -
diese gelten als gesundheitsschädlich. Daneben drohen in Deutschland
gerichtlich erzwungene Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge.

Der Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn sagte, ein kostenloser
Nahverkehr sei zwar eine verlockende Idee. «Doch die plakative
Forderung geht am Ziel vorbei.» Wer den öffentlichen Verkehr stärken

wolle, müsse schnell dafür sorgen, dass Busse und Bahnen im dichteren
Takt verkehren und so die heute schon steigende Fahrgastnachfrage
befriedigen können. Die Städte bräuchten dringend mehr Kapazität im

Nahverkehr. Dafür müsse in neue S-Bahn- und Stadtbahnstrecken, mehr
Fahrzeuge und Personal in den Verkehrsbetrieben investiert werden.

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen
Resch, kritisierte, der Brief der Bundesminister an die EU-Kommission
enthalte an keiner Stelle eine klare Zusage, sondern erneut «wolkige
Ankündigungen». Zwar sei ein möglicher kostenloser Nahverkehr ein
richtiger Schritt. «Nur muss dazu auch die über Jahre kaputtgesparte
Infrastruktur passen.» So betrage das Alter der Busse in Deutschland
im Durchschnitt über neun Jahre. Entsprechend verheerend sei die
Qualität der Abgasreinigung. Die Deutsche Umwelthilfe führt
zahlreiche Prozesse, damit Städte Schadstoff-Grenzwerte einhalten.