Oxfam nach Missbrauchs- und Korruptionsvorwürfen unter Druck Von Silvia Kusidlo und Vivian Chang, dpa

14.02.2018 16:01

Für Oxfam kommt es knüppeldick: Der Hilfsorganisation wird nach
Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs ein Mangel an Moral vorgeworfen.
Eine Star-Botschafterin tritt zurück, Spender drohen abzuspringen -
und der Präsident von Oxfam International wird wegen Korruption
verhaftet.

Oxford (dpa) - Nach Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs wächst der
Druck auf die Hilfsorganisation Oxfam von mehreren Seiten. Die
britische Schauspielerin Minnie Driver ist als Promi-Botschafterin
zurückgetreten. Sie sei «tief bestürzt wegen der Frauen, die von
Menschen benutzt wurden, die dorthin geschickt wurden, um ihnen zu
helfen, (und) tief bestürzt über die Reaktion der Organisation, für
die ich geworben habe», schrieb sie auf Twitter. Die 48-Jährige ist
die erste Prominente, die direkte Konsequenzen aus dem Skandal in
Afrika und der Karibik zieht. Auch finanziell könnte es für Oxfam eng
werden: Unterstützer drohen mit Streichungen.

Ein weiterer Schlag für die Hilfsorganisation: Der Präsident von
Oxfam International, Juan Alberto Fuentes Knight, wurde am Dienstag
verhaftet. Allerdings hat dies nichts mit seiner Arbeit bei der
Hilfsorganisation zu tun. Gegen den Ex-Finanzminister Guatemalas wird
wegen Korruption beim Bau des Nahverkehrssystems in seiner Heimat
ermittelt. Fast das ganze damalige Kabinett wurde festgenommen. Für
Oxfam kommt das dennoch zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.

In der vergangenen Woche hatten britische Medien über Sexorgien von
Oxfam-Mitarbeitern mit Prostituierten in Haiti und im Tschad
berichtet. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe trat die britische
Vizechefin der Organisation, Penny Lawrence, am Montag zurück. Eine
ehemalige Top-Managerin von Oxfam hatte zudem berichtet, dass einige
Männer Sex von Frauen als Gegenleistung für Hilfen in Notsituationen
verlangt hätten. Oxfam habe solche Vorwürfe nicht konsequent
verfolgt.

Die britische Ministerin für internationale Zusammenarbeit, Penny
Mordaunt, geht mit Oxfam hart ins Gericht: «Sie ließen die Täter
gehen. Sie haben die Spender nicht informiert», sagte sie auf einer
Konferenz in Stockholm. Auch die Polizei sei nicht eingeschaltet
worden. Mordaunt drohte damit, die mit britischem Steuergeld
finanzierte Unterstützung für Oxfam - umgerechnet etwa 35 Millionen
Euro pro Jahr - zu streichen. Es fehle an moralischer Führerschaft.
Nach einer Umfrage der britischen Nachrichtenagentur PA überlegen
auch große Unternehmen, ihre Spenden einzustellen.

Kurz vor dem Rücktritt von Lawrence hatte auch die Europäische
Kommission damit gedroht, ihre Mittel für Oxfam zu streichen. Man
erwarte, dass die Anschuldigungen so schnell und transparent wie
möglich aufgearbeitet werden, sagte eine Sprecherin der Brüsseler
Behörde. Brüssel habe die Arbeit von Oxfam in Haiti 2011 mit 1,7
Millionen Euro unterstützt. Oxfam ist ein internationaler Verbund von
Hilfs- und Entwicklungsorganisationen mit Sitz in Oxford.