Vorstoß für kostenlose Busse und Bahnen stößt auf Skepsis

14.02.2018 16:47

Um zu hohe Schadstoffbelastung zu senken, präsentierte die Regierung
eine überraschende Idee: Nahverkehr zum Nulltarif. Ganz generell ist
das aber nicht angedacht. Und Kommunen halten anderes für dringender.

Berlin (dpa) - Der Vorstoß der Bundesregierung für kostenlose Busse
und Bahnen im Kampf gegen zu schmutzige Luft in deutschen Städten
stößt auf breite Skepsis. Verkehrsverbünde und Kommunen verwiesen auf

eine ungeklärte Finanzierung und verlangten einen stärkeren Ausbau
des Nahverkehrs-Angebots. Regierungssprecher Steffen Seibert machte
am Mittwoch deutlich, dass es um «zeitweilige» Gratis-Angebote in
Kommunen gehe, die unterstützt werden könnten. Angaben zu Zeitplänen,

Kosten und der Umsetzung in bestimmten Städten wurden nicht gemacht.

Der Deutsche Städtetag nannte die Überlegungen angesichts andauernder
Grenzwert-Überschreitungen «etwas hilflos». Kostenloser Nahverkehr
sei «wahrscheinlich nicht zu bezahlen», sagte Hauptgeschäftsführer

Helmut Dedy der Deutschen Presse-Agentur. «Und ich glaube auch nicht,
dass die Bundesregierung das bezahlen will.» Grünen-Fraktionschef
Anton Hofreiter kritisierte, die Regierung habe einen Testballon
gestartet, sei aber bereits wieder zurückgerudert. Es gehe darum, das
Angebot auszubauen, das «Ticketchaos» zu lichten und Busse und Bahnen
für Schüler und Jugendliche in ganz Deutschland kostenfrei zu machen.

Seibert sagte, es solle alles dafür getan werden, die Luftqualität zu
verbessern und Diesel-Fahrverbote zu vermeiden. In einem Schreiben an
die EU-Kommission seien zusätzliche Maßnahmen für Kommunen dargelegt

worden. Nun werde eine Bewertung aus Brüssel abgewartet. Hintergrund
ist eine drohende Klage der Kommission beim Europäischen Gerichtshof
(EuGH) gegen Deutschland wegen unzureichender bisheriger Bemühungen.

Ein Sprecher des Umweltministeriums sagte, der Vorschlag solle eine
Diskussion anstoßen und ein Signal geben, dass die Regierung zu einer
Erweiterung des «Gestaltungsspielraums» der Kommunen bereit sei. So
könnten Städte «ein vorübergehendes Gratis-Angebot» etwa dann mac
hen,
wenn die Luftbelastung höher ist. Er verwies auf Tübingen, wo Busse
seit kurzem samstags gratis sind. Das Angebot gilt nach Angaben des
dortigen Verkehrsverbundes bis sonntags um 5.00 Uhr für alle Busse im
Stadtgebiet. Das Projekt war auch entstanden, weil ein zentrales
Parkhaus saniert werden soll und so Parkplätze wegfallen.

In einem am Dienstag bekannt gewordenen Brief an EU-Umweltkommissar
Karmenu Vella hatte die Bundesregierung auch einen kostenlosen ÖPNV
genannt, um die Zahl der Autos in Städten zu verringern - aber ohne
die Einschränkung, dass es sich um temporäre Maßnahmen handeln solle.


Der Autofahrerclub ADAC betonte, leichter umsetzbar als kostenloser
ÖPNV wären einfache, günstige Tarife und zuverlässige Takte, um
Pendlern eine interessante Alternative zum Auto zu bieten. «Hier muss
der Bund mitinvestieren, das hilft auch den Städten bei der
Luftreinhaltung», sagte Vizepräsident Ulrich Klaus Becker.

Der Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV), Knut
Ringat, sagte der dpa, öffentlicher Nahverkehr könne nie wirklich
kostenlos sein. Vielmehr gehe es darum, ob etwa die Steuerzahler
Erlöse aus dem Fahrscheinverkauf übernähmen. «Diese Frage sollte mi
t
dem Steuerzahler öffentlich diskutiert werden und nicht per Brief aus
Brüssel den betreffenden Städten zur Kenntnis gegeben werden.» Mit
dem Status quo der Verkehrswege sei Gratis-ÖPNV nicht bewältigbar.

Der umweltpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Carsten Träger,
begrüßte die Idee der Regierung. «Der Vorschlag «Nulltarif für Bu
sse
und Bahnen» ist eine kraftvolle Idee.» Folgen müssten nun aber
detaillierte Konzepte in Abstimmung mit Ländern und Kommunen.

Die Bundesregierung hatte der EU-Kommission auch noch andere
Maßnahmen vorgestellt, darunter einen bereits auf den Weg gebrachten
Milliarden-Fonds für bessere Luft in Städten. Außerdem sollen «bei

Bedarf» Städte unterstützt werden, wirksame Verkehrsregeln auf den
Weg zu bringen. Für Schwerlaster solle es «Niedrigemissionszonen»
geben. Seibert sagte, es sei Aufgabe der künftigen Regierung, die
Vorschläge so schnell wie möglich umzusetzen.

Die Wirksamkeit der Maßnahmen soll in fünf «Modellstädten» getest
et
werden - und zwar in Bonn, Essen, Herrenberg (Baden-Württemberg),
Reutlingen und Mannheim. Hierfür seien Städte ausgewählt worden, in
denen Schadstoff-Grenzwerte in geringem, mittleren sowie hohem Maße
überschritten werden, erläuterte das Umweltministerium. Um das Thema
Fahrverbote geht es am 22. Februar auch am Bundesverwaltungsgericht.
Es könnte eine wegweisende Entscheidung fällen, ob Verbote rechtmäß
ig
sind.