Sozialverbände lehnen Pläne für kostenlosen Nahverkehr ab

15.02.2018 14:52

Pläne der Bundesregierung für einen zeitweiligen kostenlosen
Nahverkehr sorgen weiter für Diskussion. Sozialverbände kritisieren
vor allem die ungeklärte Kostenfrage - doch nicht alle sehen die Idee
eines kostenlosen Nahverkehrs so skeptisch.

Berlin (dpa) - Die Kritik am Vorstoß der Bundesregierung zu einem
teilweise kostenlosen Nahverkehr nimmt nicht ab. «Bitter wird es für
die Steuerzahler auf dem Land, denn sie zahlen für eine
Dienstleistung, die sie wahrscheinlich nicht bekommen werden», sagte
der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, der
«Neuen Osnabrücker Zeitung» (Freitag). Dem Berliner Sender 105'5
Spreeradio sagte Holznagel, es mache keinen Sinn, nur den Nahverkehr
kostenlos zu machen, wenn am Ende nicht auch über Fahrverbote in der
Stadt nachgedacht werde.

Auch der Sozialverband VdK lehnte die Pläne ab. Aus sozialpolitischer
Sicht sei eine solche Maßnahme «eher problematisch», teilte der VdK
der Deutschen Presse-Agentur mit. «Es besteht die Gefahr, dass dieses
Vorhaben zulasten wichtigerer Zielsetzungen im Bereich Mobilität
geht.» Bedeutsamer seien der Ausbau der Barrierefreiheit und die
bessere Erschließung des ländlichen Raums. Ein kostenloses
Nahverkehrsangebot sei nur für bestimmte Personengruppen sinnvoll,
etwa Rentner, Behinderte oder Hartz-IV-Empfänger.

Die Bundesregierung hält einen zeitweilig kostenlosen Nahverkehr
zugunsten besserer Luft für denkbar und will zusammen mit Ländern und
Kommunen über entsprechende Modelle nachdenken. Deutschland droht
eine Klage der EU, weil seit Jahren in vielen Städten Grenzwerte beim
Ausstoß von Stickoxiden nicht eingehalten werden - diese gelten als
gesundheitsschädlich.

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Mittwoch allerdings
deutlich gemacht, dass es um «zeitweilige» Gratis-Angebote in
Kommunen gehe, die unterstützt werden könnten. Angaben zu Zeitplänen,

Kosten und der Umsetzung in bestimmten Städten machte er nicht.

Das wiederum ging manchen nicht weit genug: «Nun soll es mit dem
kostenlosen Nahverkehr doch nicht so gemeint gewesen sein, wie es in
einem Brief an EU-Kommissar Karmenu Vella schwarz auf weiß steht»,
sagte Philipp Kosok vom ökologischen Verkehrsclub (VCD). «Für uns ist

das nicht weit genug gedacht», sagte auch Ansgar Hinz, Chef des
Verbands der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik
(VDE).

Doch nicht alle reagierten skeptisch: Der Mitteldeutsche
Verkehrsverbund (MDV) bot sich am Donnerstag als Testgebiet an. «Wir
werden in unseren Gremien ausloten, wie wir als gesamter Verbundraum
eine Modellregion im mitteldeutschen Teil der Bundesrepublik werden
und diese bundesweite Initiative mit weiteren Inhalten modellhaft
begleiten können», sagte MDV-Geschäftsführer Steffen Lehmann. Zuv
or
hatte die «Leipziger Volkszeitung» darüber berichtet.