Merkel in außenpolitischer Offensive

16.02.2018 18:35

Gleich vier Regierungschefs in 24 Stunden: Die Kanzlerin drückt in
der Außen- und Europapolitik aufs Tempo. Nach dem Ende der
Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hat sie dafür ein
Zeitfenster. Zur Münchner Sicherheitskonferenz fährt sie aber nicht.

Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU)  ist nach Wochen der
Zurückhaltung in die außenpolitische Offensive gegangen. Am Freitag
empfing sie in Berlin die britische Premierministerin Theresa May
sowie die Regierungschefs aus Polen und Italien, Mateusz Morawiecki
und Paolo Gentiloni. Am Donnerstagabend hatte sie den türkischen
Ministerpräsidenten Binali Yildirim getroffen.

May kündigte nach dem Gespräch mit Merkel an, sie werde auf der
Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag ihre Pläne für das künftig
e
Verhältnis zur EU nach dem Brexit darlegen. Dies werde vor allem die
Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik betreffen, aber
auch Wirtschafts- und Handelsfragen. Merkel sagte: «Ich bin
neugierig, wie sich Großbritannien die Partnerschaft vorstellt.
Notwendig sei eine «faire Balance» in den künftigen Beziehungen. «W
ir
stehen schon unter Zeitdruck.»

Beim Antrittsbesuch des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz
Morawiecki sprach Merkel von «ernsthaften Meinungsunterschieden»
zwischen Berlin und Warschau. «Es ist eine Menge zu tun, was wir noch
besser machen können», sagte sie. Morawiecki erneuerte seine Kritik
an dem geplante Bau einer weiteren Gas-Pipeline von Russland durch
die Ostsee nach Deutschland, Nord Stream 2.

Der polnische Regierungschef verteidigte außerdem die umstrittene
Justizreform in seinem Land. Polen steht deswegen in Europa in der
Kritik. Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der Justiz nach
den Gesetzesänderungen bedroht. Merkel hielt sich auf einer
gemeinsamen Pressekonferenz mit Kritik zurück. Es gebe eine
rechtsstaatliche Grundverpflichtung für alle EU-Mitglieder. Sie hoffe
auf Fortschritte in den Gesprächen zwischen der Kommission und Polen.

In der EU will Merkel weitere Schritte hin zu einer gemeinsamen
Außenpolitik durchsetzen. Das sei Teil der «sehr ambitionierten
Agenda» auf europäischer Ebene, sagte sie nach einem Gespräch mit
Italiens Ministerpräsident Gentiloni. Die gemeinsame Politik der
Europäischen Union gegenüber Afrika sei ein positives Beispiel. «Aber

das brauchen wir jetzt auch zu anderen Regionen der Welt.»

Am Montag trifft Merkel in Berlin auch mit dem niederländischen
Regierunchef Mark Rutte und dem luxemburgischen Premierminister
Xavier Bettel zusammen. Die Gespräche dienen auch der Vorbereitung
des EU-Sondergipfels am kommenden Freitag in Brüssel, wo die 27
EU-Mitglieder ohne Großbritannien über die Zukunft der Union sprechen
wollen. Dazu gibt Merkel am Donnerstag eine Regierungserklärung ab.

An der Münchner Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende nimmt die
Kanzlerin nicht teil. Die geschäftsführende Bundesregierung sei dort
«recht breit vertreten», sagte sie. Sie selbst nehme «im Durchschnitt

etwa jedes zweite Mal an der Sicherheitskonferenz teil». 2017 war sie
dort. «Insofern ist das sozusagen im statistischen Mittel, glaube
ich.»