Macron will Ende des EU-Reformstaus - Warnung vor Nationalismus

17.04.2018 18:45

Für den französischen Präsidenten geht es nicht nur um die Reform der

EU. Er will damit auch EU-weit den Nationalismus bremsen. Berlin
sträubt sich. Die Kanzlerin hofft dennoch auf eine gemeinsame Linie
mit Paris.

Straßburg/Berlin (dpa) - Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hält
weitreichende Reformen in der EU für dringend notwendig, um
Nationalismus und autoritäre Tendenzen in Europa zurückzudrängen. Vor

den Abgeordneten des Europaparlaments bekräftigte er am Dienstag
seine Forderungen nach einer Neugestaltung der Europäischen Union,
mit der auch die Gräben zwischen verschiedenen EU-Ländern überwunden

werden sollten. Aus Deutschland kommt weiter Widerstand gegen die
französischen Vorschläge. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich
dennoch zuversichtlich, bis zum EU-Gipfel im Juni gemeinsam mit
Macron ein «starkes Paket» vorzulegen.

Allerdings machte Merkel klar, dass die von der EU-Kommission
geplante Weiterentwicklung des Euro-Rettungsschirms ESM zu einem
europäischen Währungsfonds mit einer Änderung der EU-Verträge
verbunden sein müsse. Dafür habe sie in der Sitzung der
Unionsfraktion zu den EU-Reformvorschlägen viel Beifall erhalten,
hieß es aus Teilnehmerkreisen. Hintergrund ist, dass damit letztlich
auch der Bundestag zustimmen muss. Die EU-Kommission hält eine
Umwandlung für denkbar, ohne dass es dafür weitgehende
Vertragsänderungen geben muss.

Der französische Präsident rief in Straßburg zur Verteidigung der
«europäischen Demokratie» gegenüber autoritären Tendenzen auf.
«Ich
möchte nicht zu einer Generation der Schlafwandler gehören», sagte

er, in Anspielung auch auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Macron
pochte auch erneut auf die in Deutschland heftig umstrittene
Schaffung eines Haushalts für die Eurozone - er sprach von einer
«budgetären Kapazität, die die Stabilität und die Konvergenz in der

Eurozone fördert». Als weiteren konkreten Punkt nannte er die
Vollendung der Bankenunion.

Macron besucht am Donnerstag Merkel in Berlin. Die beiden Länder
wollen sich bis Juni auf gemeinsame Vorschläge zur EU-Reform
verständigen. Als neues Projekt brachte der Franzose den Plan mit,
künftig Kommunen mit direkten europäischen Finanzhilfen bei der
Aufnahme und Integration von Flüchtlingen zu unterstützen. Damit
wolle er die «vergiftete Debatte» über eine Umverteilung von
Flüchtlingen in der EU überwinden. Deutschland fordert seit langem,
Migranten gleichmäßiger in der EU zu verteilen, wird dabei aber von
Ungarn, Polen und anderen Staaten gebremst.

Macron hatte seine Europapläne vor gut einem halben Jahr in einer
Rede an der Pariser Sorbonne-Universität dargelegt. Seitdem gab es in
der Praxis aber keine großen Fortschritte. Zum einen musste er lange
auf die deutsche Regierungsbildung warten, zum anderen stößt sein
Reformeifer in einigen Ländern auf Widerstand.

So lehnte die CSU am Dienstag einen europäischen Finanzminister, eine
EU-weite Arbeitslosenversicherung und eine Vertiefung der
Einlagensicherung bei Banken ohne vorherige Risikominimierung ab. Es
ginge dabei nicht nur um Europa, sondern auch um nationale Interessen
Frankreichs, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Das Thema EU-Reform ist in Berlin längst zu einer Belastung der erst
wenige Wochen alten Koalition geworden. Die Fraktionschefin und
designierte Vorsitzende der SPD, Andrea Nahles, mahnte CDU und CSU
zur Einhaltung des Koalitionsvertrags. Sie habe kein Verständnis
dafür, «dass nun in der Union so viele rote Linien definiert werden,
dass die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion niemals
erreicht werden kann», sagte Nahles der «Rheinischen Post».

Die Grünen werfen der großen Koalition unterdessen vor, Frankreich in
der Debatte um die Zukunft Europas alleine zu lassen. «Die im
Koalitionsvertrag erwähnte europäische Solidarität verkommt zur
Makulatur», sagte Parteichefin Annalena Baerbock der Deutschen
Presse-Agentur. Macron stehe mit seinen Reformideen für die EU
«allein auf weiter Flur», weil Kanzlerin Merkel und Finanzminister
Olaf Scholz (SPD) «die proeuropäischen Signale verweigern».

Auch mit Blick auf diese Kritik sprach sich Merkel in Berlin für mehr
Tempo bei den anstehenden Reformen aus. Dies dürfe aber nicht auf die
Wirtschafts- und Währungsunion beschränkt bleiben. Ebenso wichtig
seien eine gemeinsame Asylpolitik, die Finanzplanung für die nächsten
Jahre, Zusammenarbeit in der Außen- und Verteidigungspolitik sowie
die wissenschaftliche Kooperation. Auf die Forderungen Macrons nach
einem Eurozonen-Haushalt und einem Euro-Finanzminister ging sie nicht
ein. «Wir werden zum Juni hin mit Frankreich gemeinsame Lösungen
finden», sagte die CDU-Politikerin weiter. «Ich bin nicht bange, dass
wir nicht ein starkes Paket auf die Beine stellen werden.»