Merkel geht mit Rückhalt der Unionsfraktion in EU-Reformverhandlung Von Jörg Blank, dpa

17.04.2018 18:49

Die Kanzlerin an der kurzen Leine? Von wegen. Nachdem Merkel vor den
Unionsabgeordneten ihren Kurs für die kommenden Reformgespräche
erläutert hat, gibt es viel Zustimmung. Aber Skepsis bleibt.

Berlin (dpa) - Trotz einzelner mahnender Stimmen geht Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) mit breitem Rückhalt der Unionsfraktion in die
Verhandlungen über eine Reform der Europäischen Union. Merkel habe in
einer intensiven Diskussion mit mehr als 20 Wortmeldungen viel
Zustimmung zur Forderung bekommen, die Weiterentwicklung des
Euro-Rettungsschirms ESM zum europäischen Währungsfonds mit einer
Änderung der EU-Verträge zu verbinden, hieß es am Dienstag aus
Teilnehmerkreisen einer Sitzung der Unionsfraktion. Dort stellte
Merkel ihren Kurs für die Verhandlungen mit dem französischen
Präsidenten Emmanuel Macron und der EU-Spitze vor.

Hintergrund der Zustimmung der Parlamentarier zu Merkels Äußerungen
über den Währungsfonds ist, dass einer Änderung der EU-Verträge
letztlich auch der Bundestag zustimmen muss. Die EU-Kommission hält
allerdings eine Umwandlung für denkbar, ohne dass es dafür
weitgehende Vertragsänderungen geben muss. Vertragsänderungen gelten
in der EU als besonders schwierig und langwierig. Merkel betonte nach
den Teilnehmerkreisen zudem, der Währungsfonds solle eine Einrichtung
der Vertragsstaaten sein und nicht eine weitere EU-Institution, auf
die die EU-Kommission entscheidenden Einfluss haben könnte.

Die Kanzlerin will mit Macron an diesem Donnerstag bei einem Treffen
in Berlin weitere Reformschritte besprechen. Bis zum EU-Gipfel Ende
Juni wollen beide substanzielle Fortschritte in den
Reformverhandlungen erreichen. In der Unionsfraktion gibt es die
Sorge, dass das Parlament bei wichtigen und für den deutschen
Haushalt teuren Entscheidungen außen vor gelassen werden könnte.
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles kritisierte, sie könne die vielen
roten Linien nicht akzeptieren, die die Union aufgestellt habe.

Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU), der kürzlich noch erklärt
hatte, er sehe nicht, dass auf dem EU-Gipfel substanzielle
Fortschritte erzielt werden könnten, unterstrich nach den Angaben
seine Übereinstimmung mit Merkel. Er warnte vor einer möglichen
Konjunkturförderung durch den Währungsfonds. Unionsfraktionschef
Volker Kauder (CDU) plädierte für einen Ausgleich zwischen einer
Stärkung Europas und der Wahrung nationaler Interessen.

Der Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU) und andere plädierten in der

Sitzung demnach dafür, nicht mit der Lupe nach Unterschieden zu
Frankreich zu suchen, sondern etwas mehr die Gemeinsamkeiten mit
Paris herauszustellen.

Merkel hatte nach einem Treffen mit der Premierministerin von
Neuseeland, Jacinda Ardern, mehr Tempo bei den Reformen verlangt.
Dies dürfe nicht auf die Wirtschafts- und Währungsunion beschränkt
bleiben. Ebenso wichtig seien eine gemeinsame Asylpolitik, die
Finanzplanung für die nächsten Jahre, Zusammenarbeit in der Außen-
und Verteidigungspolitik sowie die wissenschaftliche Kooperation.

Auf Forderungen Macrons nach einem Eurozonen-Haushalt und einem
Euro-Finanzminister ging Merkel nicht ein. «Wir werden zum Juni hin
mit Frankreich gemeinsame Lösungen finden», sagte sie. «Ich bin nicht

bange, dass wir nicht ein starkes Paket auf die Beine stellen
werden.» Dem werde auch das deutsch-französische Ministertreffen
dienen, das noch vor dem EU-Gipfel in Brüssel stattfinden soll.

Kauder warf der EU-Kommission Tricksereien vor. «Das gibt
Misstrauen», sagte er. Dennoch bleibe es dabei, «dass wir (die)
Wirtschaft-, Währungsunion und Bankenunion, so wie es vereinbart
worden ist, auf den Weg bringen wollen». Es gelte aber der «strenge
Hinweis» an die EU-Kommission, «dass man sich an Vereinbarungen
halten muss und da nicht tricksen darf». So sei vereinbart worden,
dass die gemeinsame Sicherung von Bankeneinlagen in der EU erst
verhandelt werden könne, wenn die Risiken in den Nationalstaaten
reduziert worden seien. Nun gebe es Kritik, dass in der Kommission
formuliert worden sei, man könne sich ja schon vor der
Risikobewertung auf den Weg machen, die Dinge voranzutreiben.

Die CSU lehnt wesentliche Teile der Finanzvorschläge Macrons und der
EU-Kommission ab. Dies gelte etwa für einen EU-Finanzminister, eine
EU-weite Arbeitslosenversicherung sowie für eine Vertiefung der
Einlagensicherung bei Banken ohne vorherige Risikominimierung, sagte
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Nicht alles, was Macron
vorschlage, könne automatisch in deutschem Interesse sein - wie etwa
der Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung. «Ich habe
überhaupt keine Veranlassung, Macrons persönliche Glücksgefühle zu

meinem politischen Programm zu machen», betonte Dobrindt.