EU-Kommissar: Deutschland nimmt 10 000 Umsiedlungsflüchtlinge auf

19.04.2018 12:33

Wer als Migrant nach Europa kommt, verlässt sich meist auf Schlepper
und klapprige Boote. Wer für ein Umsiedlungsprogramm ausgewählt wird,
hat Glück: Er darf legal einreisen. Deutschland will nun Tausende
Menschen auf diesem Weg aufnehmen

Berlin (dpa) - Deutschland wird laut EU-Kommission im Rahmen eines
EU-Umsiedlungsprogramms mehr als 10 000 Flüchtlinge aus Nordafrika
und dem Nahen Osten aufnehmen. Eine entsprechende Zusage der
Bundesregierung sei in dieser Woche eingegangen, sagte EU-Migrations-
und Innenkommissar Dimitris Avramopoulos den Zeitungen der Funke
Mediengruppe. Weil aus anderen Mitgliedstaaten bereits die Zusage für
die Aufnahme von 40 000 Flüchtlingen vorliege, sei das Ziel des
«Resettlement-Programms» bereits erfüllt und werde wohl sogar
übertroffen. «Die deutsche Regierung ist erneut zur Stelle, wenn es
um internationale Solidarität geht», lobte der EU-Kommissar.

Das Programm hatte die Kommission im vergangenen Sommer aufgelegt, um
besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen einen direkten und sicheren
Weg nach Europa zu öffnen. Bis Herbst 2019 sollen mindestens 50 000
Flüchtlinge vor allem aus Nordafrika in der EU angesiedelt werden.
Die EU unterstützt die Aufnahmeländer mit einer halben Milliarde
Euro.

Das UN-Flüchtlingskommissariat zeigte sich erfreut. «Resettlement ist
ein wichtiges Instrument im internationalen Flüchtlingsschutz. Es
richtet sich an die Bedürftigsten und Verwundbarsten, erlaubt den
Behörden die Auswahl und nutzt die weltweite Erfahrung, die UNHCR
beim Schutz von Flüchtlingen auf der ganzen Welt hat» erklärte der
Vertreter des UNHCR in Deutschland, Dominik Bartsch.

Die Hilfsorganisation Pro Asyl wertete die Ankündigung hingegen als
moralisches Feigenblatt und kritisierte die EU-Flüchtlingspolitik.
«Deutschland und die EU brüsten sich hier an der falschen Stelle»,

sagte Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Donnerstag.
«Zugleich werden Tausende Flüchtlinge zurück in libyschen
Folterzentren geschickt.» Die Zusammenarbeit mit und Ausbildung der
libyschen Küstenwache müsse beendet werden. «Pro Asyl fordert die
Geltung des individuellen Asylrechts statt kollektiver Gnadenakte.»

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel reagierte empört und
kritisierte die Asylpolitik der Bundesregierung. «Der Zenit ist
deutlich überschritten, wir fordern die Bundesregierung dazu auf,
jegliche Zusagen an die EU zu unterlassen, die Grenzen zu
kontrollieren und den Schaden zu beseitigen, den sie bereits
angerichtet hat», erklärte sie.

Am Donnerstag wollte der EU-Migrations- und Innenkommissar Dimitris
Avramopoulos in Berlin Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
treffen. Der EU-Kommissar drängte Berlin zugleich, die in der
Flüchtlingskrise eingeführten Grenzkontrollen bald wieder
abzuschaffen. Er werde solchen Kontrollen «nicht für immer»
zustimmen, sagte er. «Wir müssen zügig zur normalen Funktionsweise
des Schengensystems zurückkehren.» Die Wiedereinführung dauerhafter
Grenzkontrollen im Schengenraum wäre ein schwerer Rückschlag, warnte
Avramopoulos. Es gehe um Reisefreiheit und das Gefühl, in der EU
zusammenzugehören.

Deutschland hatte erst vor kurzem angekündigt, die Kontrollen an der
Grenze zu Österreich über die gesetzte Frist im Mai hinaus zu
verlängern. Die EU-Kommission will hingegen ein möglichst rasches
Ende.