Seehofer: Nehmen 10 200 Umsiedlungsflüchtlinge auf

19.04.2018 18:41

Wer als Migrant nach Europa kommt, verlässt sich meist auf Schlepper
und klapprige Boote. Wer für ein Umsiedlungsprogramm ausgewählt wird,
hat Glück: Er darf legal einreisen. Deutschland will nun Tausende
Menschen auf diesem Weg aufnehmen

Berlin (dpa) - Deutschland will nach Angaben von Bundesinnenminister
Horst Seehofer 10 200 Flüchtlinge über ein EU-Umsiedlungsprogramm
aufnehmen. Noch im laufenden Jahr sollen so 4600 Flüchtlinge nach
Deutschland kommen dürfen, wie der CSU-Politiker in Berlin sagte.
2019 sollen 5600 weitere folgen. Diese Menschen würden auf die im
Koalitionsvertrag vereinbarte Zuwanderungsspanne von jährlich 160 000
bis 220 000 Personen angerechnet, sagte Seehofer, der sich am
Donnerstag mit EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos traf. Die
Funke Mediengruppe berichtete unter Berufung auf Avramopoulos, dass
es um Flüchtlinge aus Nordafrika und dem Nahen Osten gehe.

Der EU-Kommissar sagte den Funke-Zeitungen, weil aus anderen
Mitgliedstaaten bereits die Zusage für die Aufnahme von 40 000
weiteren Flüchtlingen vorliege, sei das Ziel des
«Resettlement-Programms» erfüllt und werde wohl sogar übertroffen.

«Die deutsche Regierung ist erneut zur Stelle, wenn es um
internationale Solidarität geht», lobte Avramopoulos.

Das Programm hatte die Kommission im vergangenen Sommer aufgelegt, um
besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen einen direkten und sicheren
Weg nach Europa zu öffnen. Bis Herbst 2019 sollen mindestens 50 000
Flüchtlinge vor allem aus Nordafrika in der EU angesiedelt werden.
Die EU unterstützt die Aufnahmeländer mit einer halben Milliarde
Euro.

Das UN-Flüchtlingskommissariat zeigte sich erfreut. «Resettlement ist
ein wichtiges Instrument im internationalen Flüchtlingsschutz. Es
richtet sich an die Bedürftigsten und Verwundbarsten, erlaubt den
Behörden die Auswahl und nutzt die weltweite Erfahrung, die der UNHCR
beim Schutz von Flüchtlingen auf der ganzen Welt hat», erklärte der
Vertreter des UNHCR in Deutschland, Dominik Bartsch.

Die Hilfsorganisation Pro Asyl wertete die Ankündigung hingegen als
moralisches Feigenblatt und kritisierte die EU-Flüchtlingspolitik.
«Deutschland und die EU brüsten sich hier an der falschen Stelle»,

sagte Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. «Zugleich werden
Tausende Flüchtlinge zurück in libysche Folterzentren geschickt.» Die

Zusammenarbeit mit und die Ausbildung der libyschen Küstenwache müsse
beendet werden. «Pro Asyl fordert die Geltung des individuellen
Asylrechts statt kollektiver Gnadenakte.»

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel reagierte empört und
kritisierte die Asylpolitik der Bundesregierung. «Der Zenit ist
deutlich überschritten, wir fordern die Bundesregierung dazu auf,
jegliche Zusagen an die EU zu unterlassen, die Grenzen zu
kontrollieren und den Schaden zu beseitigen, den sie bereits
angerichtet hat», erklärte sie.

EU-Kommissar Avramopoulos drängte die Bundesregierung in den
Funke-Zeitungen zugleich, die in der Flüchtlingskrise eingeführten
Grenzkontrollen bald wieder abzuschaffen. Er werde solchen Kontrollen
«nicht für immer» zustimmen. «Wir müssen zügig zur normalen
Funktionsweise des Schengensystems zurückkehren.» Die
Wiedereinführung dauerhafter Grenzkontrollen wäre ein schwerer
Rückschlag, warnte Avramopoulos. Es gehe um Reisefreiheit und das
Gefühl, in der EU zusammenzugehören.

Deutschland hatte erst vor kurzem angekündigt, die Kontrollen an der
Grenze zu Österreich über die gesetzte Frist im Mai hinaus zu
verlängern. Die EU-Kommission will ein möglichst rasches Ende.